Regine Nahrwold am 19. Juli 2007
Ausstellung: Ein Kronleuchter hängt über der Sophienstraße…
… in Hannover und funkelt. Man freut sich, weil er da ja gar nicht hingehört und man diesen festlichen Anblick ganz unerwartet geschenkt bekommt, während man in Alltagsgedanken versunken die Straße runterläuft. Und dann folgt man diesem Wegweiser, geht hinein in den Kunstverein Hannover – und da funkelt es schon wieder kristallen und sprüht und rauscht: es regnet im Treppenhaus, und die fallenden Tropfen bilden durch Lichtprojektion in raschem Wechsel Worte, die im Nu wieder verschwinden. Schlagworte, die ein Computerprogramm aus aktuellen Nachrichtenwebsites herausfiltert. Sie blitzen aus dem Informationsstrom, der uns permanent berieselt, kurz heraus, und schon sind sie wieder fortgespült – auch Worte steigen nicht zweimal in denselben Fluss…
Außer dieser Installation von Julius Popp bietet die Gemeinschafts-Ausstellung von Kunstverein, Kestner-Gesellschaft und Sprengel Museum noch viele schöne, intelligente, witzige, spannende Arbeiten und insgesamt ein sehr abwechslungsreiches, vielfältiges Bild der zeitgenössischen Kunst „Made in Germany„. Amelie von Wulffen blendet im Medium von Fotomaterial/ Collage/Zeichnung Innen- und Außenwelten ineinander, Armin Boehms Luftaufnahmen wandern auf dem Grat zwischen abbildender und informeller Malerei. Florian Slovata hat die Oberflächen von Möbeln als Flächenformen in eine überdimensionale abstrakte Komposition eingebaut, Ralf Ziervogel aus feinen, linearen Zeichnungen über eine riesig-weiße Papierfläche Menschenketten und -gitter gesponnen. Die graphischen Arbeiten von Kirsten Pieroth und Fernando Bryce spielen mit dem Verhältnis von Original und Reproduktion, von Fiktion und Wirklichkeit. In Nathalie Djurbergs „trashigen“ Kurzfilmen treiben skurrile Knetgummifiguren böse, böse Dinge, und es ist wirklich überaus amüsant, ihnen dabei zuzusehen.
Michel Sailstorfers gleißende und tönende Aluminiumbrücke, Marcel van Eedens mit Neonröhren bestückter „Himmelsglobus“ und die Film-Raum-Installation von Simon Starling waren die abschließenden „Lichtblicke“ meines Rundgangs. Starling hat in den dunklen Raum eine filigrane, leichte Spirale aus metallenen Stäben gebaut, die sich vom Boden um eine Stange bis zur Decke windet. He, das schimmernde Band, das da über die Rollen am äußeren Ende der Stäbe läuft und je zwei übereinander- liegende paarweise miteinander verbindet, ist ja der Film, der auf die gegenüberliegende Wand projiziert wird! Ein alter Schwarzweißfilm – ach, wie der Projektor schnurrt und rattert! – über die Metallwerkstatt Wilhelm Noack in Berlin: die Kamera wandert durch ihre Räume, über technische Zeichnungen, gespenstische Assemblagen von Geräten und Werkstoffen, archaisch und achäologisch – Blade Runner! – anmutende Landschaften aus Maschinen und Materialien. Soviel Spaß kann zeitgenössische Kunst machen!