Regine Nahrwold am 18. Oktober 2007
Literatur: Blätter, Bohnen, Birnen, …
… und Herbsttage, wie man keine sah: Diese letzten waren so unglaublich schön, dass ich – wenn ich denn den Absprung vom Schreibtisch endlich geschafft hatte – am liebsten nie wieder reingegangen wäre: Noch einmal in der Mittagssonne sitzen, mit einem Buch auf der Bank oder mit Freundinnen im Garten… die frische Kühle am Morgen, die schon den Winter ahnen lässt… der Geruch nach feucher Erde, Laub und Gras… das GrünGelbOrangeRot der Blätter… aprikosene Abendhimmel mit bizarren grauen Wolkenwänden, und davor die künstlichen Lichter von Autos, Ampeln, Straßenlaternen…
Vor meinem Auge steht das Bild einer Freundin in ihrem Garten, wie sie Zucchini, Tomaten und Zwiebeln erntet, zwischen Kürbissen und Kartoffeln, wild wuchernder Kapuzinerkresse, Ringelblumen und Zinnien in leuchtendem Orange und Rosa. Dazu fallen mir weniger Hebbel, Rilke, Hölderlin, Benn ein als Günter Grass, der in den 1960ern ein paar saftig-deftige Herbstgedichte geschrieben hat. In denen ist nicht nur von Astern die Rede, sondern auch von Hammelfleisch mit grünen Bohnen, gelben Birnen und einer schwarzen Nelke: Da wird nochmal anständig geschmaust, bevor die grünen Dotter welken!
Kein Wunder, dass wir gerade dem Frühling und dem Herbst, den Jahreszeiten des Übergangs also, so viele schöne Gedichte verdanken! Mein liebstes Herbstgedicht, „Im Herbst 1775“, stammt von Goethe:
Fetter grüne, du Laub,
Das Rebengeländer,
Hier mein Fenster herauf.
Gedrängter quillet,
Zwillingsbeeren, und reifet
Schneller und glänzend voller.
Euch brütet der Mutter Sonne
Scheideblick, euch umsäuselt
Des holden Himmels
Fruchtende Fülle.
Euch kühlet des Monds
Freundlicher Zauberhauch
Und Euch betauen, ach,
Aus diesen Augen
Der ewig belebenden Liebe
Voll schwellende Tränen.