Regine Nahrwold am 16. Februar 2008
Ausstellung: Jutta Brüdern – Cornelia Urban
Einer der schönsten Ausstellungsorte in Braunschweig ist das Haus der Diakonie, direkt neben der Zisterzienserkirche Riddagshausen, denn die Aura von Kirche und Klostergarten strahlt bis in das weiträumige Foyer, die Flure, Seminarräume und das Treppenhaus hinein. Ausstellungskuratorin Maria Hauck hatte im Herbst 2007 einen Querschnitt durch das vielseitige Werk der Photographin Jutta Brüdern gezeigt: Architektur und Kirchenbau, (Natur-)Denkmale und Kunstwerke, Landschaften, Menschen und wunderbare „Portraits“ der chaotisch-kreativen Künstlerateliers von Peter Lufft und Elsa Bloß, die 15 Jahre lang im Haus Lessingplatz 3 lebte und arbeitete. „Arbeiten mit Licht“ nennt Jutta Brüdern selbst ihre Werke, feinste Papierabzüge, die das ganze, reiche Spektrum der Farbe Grau ausloten (mit der Farbphotographie hat sie’s noch nicht so lange). Bevor sie sich selbständig machte, arbeitete sie jahrelang als Photographin (mit 2 ph’s – jawoll!) am Lehrstuhl für Kunstgeschichte der TU Braunschweig bei Martin Gosebruch. Auf unserer Frankreich-Exkursion Anfang der 1980er nach Burgund, nach Toulouse, St. Gilles, Moissac und Chartres hat sie eigentlich nur nachts, mangels Licht, nicht gearbeitet. Jede Kirche, jeder Kreuzgang wurde von ihr abgelichtet von Archivolte bis Zwickel – die von ihr geschaffene Photothek des Lehrstuhls ist enorm! (Sie befindet sich heute, genau wie die Bibliothek des Lehrstuhls, in der UB Braunschweig.) Das Licht ist Jutta Brüdern das Allerwichtigste, vom Warten auf das passende Wetter und den „kairos“, den rechten Augen“licht“blick, bis hin zur Nachbearbeitung der Negative, mit der sie bestimmte Lichteffekte intensiviert.
Seit letzter Woche nun zeigt die „Galerie Riddagshausen“ Arbeiten der Hannoveranerin Cornelia Urban, die im Medium diverser künstlerischer Techniken (Druck, Papierschnitt, Foto, Video, Bodenreliefs mit Naturmaterialien, Wandbilder) sehr eigene Gratwanderungen zwischen Abstraktion und Natur unternimmt. Ein großer Bogen Papier ist – ja, was? bedruckt? bestempelt? mit schwarzer Farbe, die mit Steinen unterschiedlichster Größe aufgetragen wurde, am unteren Bildrand die größten, am oberen die kleinsten, und zwischen den unregelmäßigen Formen blitzt das Weiß des Papiers auf. Der (perspektivische) Effekt: Ich schaue von sehr weit oben auf einen steinigen Strand, eine felsige Gegend, die reell zwar durch die Bildränder begrenzt, ideell aber unendlich ist; es könnte auch das All sein, in dem kosmische Schwebepartikel ein flexibles, von einzelnen schwarzen Löchern durchsetztes Netzwerk bilden. Also eine ähnliche Erfahrung, wie Kleist sie vor C. D. Friedrichs „Mönch am Meer“ machte: ein Gefühl, „als seien einem die Augenlider weggeschnitten“. Ähnliches ereignet sich vor der Landart-ähnlichen Fläche von mal parallel, mal gegeneinander laufenden Wellenlinien aus Salz, die wie eine Dünenlandschaft anmuten. Zauberhaft ein großer, gleichwohl filigraner Papierschnitt, der als Rolle von der Decke herabhängt und den Eindruck einer sonnendurchschienen Baumkrone macht; das Wechselspiel zwischen Positiv- und Negativformen potenziert hier noch einmal der Punktstrahler, der das Ganze als Schatten auf die dahinterliegende Wand wirft. Eine Serie von Schwarzweißfotos zeigt flache Landschaften mit niedrigem Horizont – ich vermute, dass er die Bildfläche im Verhältnis des Goldenen Schnitts teilt – auf durchgängig gleicher Höhe. Öde? Langweilig? Mitnichten: wundervolle Wolkenhimmel in einem Meer von Grautönen, kann man ewig anschauen. Fazit: Klares Konzept bei lebendiger Vielfalt – sehr schön und sehr sehenswert. (Die Beschreibung der Videoarbeit erspare ich ihr und mir, die muss man einfach selbst angucken!)