Regine Nahrwold am 29. Februar 2008
Aischylos‘ Perser: Ich bin Perserin!
Das Festival „Theaterformen“ wird dieses Jahr im Juni in Braunschweig mit einer Inszenierung von Aischylos‘ „Die Perser“ eröffnen. Für die Rolle des Chores hat die Regisseurin Claudia Bosse 500 Braunschweigerinnen und Braunschweiger zusammengetrommelt. Sie sollen die tragende Rolle des Volkes in dieser ältesten erhaltenen Tragödie verkörpern, deren Entstehungszeit zugleich die Hoch-Zeit der athenischen Demokratie ist.
Eine dieser 500 PerserInnen werde ich sein. Mir gefällt der basisdemokratisch-systemische Ansatz, das Potenzial der Zuschauer für die Inszenierung zu nutzen und zugleich das Drama mit der „normalen“ Öffentlichkeit einer Stadt zu verlinken. Mir gefällt die Idee, … dass Stoff, Stück, Thema auf diese Art aus dem Kunst-Raum des Theater hinaus-, in den öffentlichen Raum und das Leben der Menschen hineindiffundieren: Aischylos‘ im Alltag oder Alltägliche Antike, sozusagen. Darüber hinaus versteht Claudia Bosse den gesamten Entstehungsprozess der Inszenierung als Theaterwerkstatt, in der auch Vorträge und andere künstlerische Aktionen stattfinden, also eine Art Forum, Kommunikationsplattform, zu der alle Beteiligten beitragen können. In ähnlicher Form wurde das Stück übrigens schon einmal inszeniert, 2006 in Wien und Genf von der Gruppe Theatercombinat, der auch Claudia Bosse angehört.
Heute abend beginnt die Arbeit mit einer Einführung für alle, bevor dann in 10 Gruppen à 50 Personen unter Leitung von erfahrenen Schauspielern trainiert und geprobt wird. Viele Fragen und freudig-bange Erwartungen schwirren mir durch den Kopf:
Werde ich die 3 Monate Probenzeit durchhalten? Werde ich Hemmungen haben, und werde ich es schaffen, sie zu überwinden? Werde ich viel Text auswendig lernen müssen, und wird mir das schwer fallen? Werde ich von meinen rund 15 Jahren Erfahrung als Chorsängerin profitieren? (Obwohl der Chor einer antiken Tragödie ja nicht singt, sondern eher rhythmisch-musikalisch spricht und sich dito bewegt. Ich stell’s mir so ähnlich vor, wie in Einar Schleefs Inszenierung von Elfriede Jelineks „Sportstück„.) Wen werde ich dort alles (wieder)treffen? Werde ich Kenntnisse aus meiner Schulzeit wieder ausgraben, womöglich mein Griechisch? (Habe immerhin ein altsprachliches Abitur.)
Ich bin gespannt und freue mich sehr darauf, zu spielen, kreativ zu sein und gemeinsam mit anderen Menschen etwas hervorzubringen und zu formen, etwas entstehen und wachsen zu lassen. (Soeben, während ich dies schreibe, wird mir bewusst, dass ich mir eine ähnliche Erfahrung wünsche wie die Kinder und Jugendlichen beim Projekt „Rhythm is it“ von Simon Rattle und Royston Maldoom.) Ich werde die Entstehungszeit bloggend begleiten. Darum formuliere ich jetzt abschließend – nach dem Muster der guten, alten Jägermeister-Reklame – mein Perser-Credo:
Ich bin Perserin, weil ich mich verwandeln und endlich mal wieder abheben möchte.
Und Du? Und Sie? Warum bist Du, warum sind Sie Perserin, Perser?