Regine Nahrwold am 29. Mai 2008
Ausstellung: Reimnitz / Wöhrmann
Bilder Farben Klänge Töne
Zur Ausstellung Im Ausland. Malerei. Susanne Reimnitz und Thomas Wöhrmann sendete Radio Okerwelle im Kulturmagazin Pandoora am 22. und 24. Mai ein Interview mit Ausstellungskuratorin Dr. Regine Nahrwold von Markus Hiereth:
Am 10. Juni, um 18.00, können Sie mit dem Künstlerpaar in der Ausstellung ins Gespräch kommen. Und hier einige Bilder aus der Ausstellung, die noch bis zum 11. Juli im Haus der Diakonie, Braunschweig, neben der Klosterkirche Riddagshausen, zu sehen ist, sowie ein Auszug aus meiner Rede zur Eröffnung:
Susanne Reimnitz‘ Bilder sind Palimpseste, in denen eine Schicht über der anderen liegt, jede ein Sediment, das die Spuren einer anderen Zeit bewahrt. Sie bleiben ungerahmt, denn die Begrenzung durch das Bildrechteck ist nur reell; ideell ist dieser Bildraum unendlich: „Die Grenze der Bilder ist nur der Übergang zu dem, was sonst ist.“ (Reimnitz) Immer wieder öffnen sich die oberen Farbschichten, geben den Blick frei auf die raumzeitliche Tiefendimension darunter. Die fast aquarellartigen Transparenzen, die Susanne Reimnitz dabei erreicht, sind umso erstaunlicher, als sie mit den eigentlich opaken Acrylfarben arbeitet. Diese Technik kommt auch ihrem Temperament und dem impulsiven Gestus entgegen, dem ihre Bilder entspringen. Diese Bewegung gilt es anzuhalten im Kairos, im rechten Augenblick, in dem alle Elemente des Bildes optimal zueinander stimmen. In dieser Schwebe hält das Bild den Augenblick fest – vielleicht für immer, vielleicht solange, bis es – irgendwann einmal – erneut in den Malprozess eingespeist wird…
Die Bilder, die Thomas Wöhrmann in dieser Ausstellung zeigt, sind – ganz klassisch – mit Öl auf Leinwand gemalt und setzen mit dem Rahmen ihre eigene Grenze. Gegenüber den spannungsvoll-dynamischen von Susanne Reimnitz wirken sie klar, rational, ruhig, harmonisch, streng konzipiert und gebaut. Reimnitz‘ Bilder werden, unablässig – Wöhrmanns Bilder sind da, immer schon. Auch sie verkörpern einen Schwebezustand, den Kairos, die Balance von Formen auf einer Farbfläche, von Kontrast, Teilung und Verbindung, und – darin ist Thomas Wöhrmann ein Meister – von malerischen und grafischen Mitteln. Pinselstriche und Spachtelspuren modellieren das Farbrelief, addieren sich zur Fläche und modulieren ein Blau, ein Grün, ein Rot in zahlreichen Nuancen durch. Auch Wöhrmanns Bilder sind Schichtungen, und während Susanne Reimnitz sehr oft von Hell nach Dunkel malt, geht er häufig den umgekehrten Weg: Helle Formen auf dunklem Grund sind nicht aufgesetzt, sondern Negative, ausgespart oder herausgekratzt aus der obersten Malschicht. Wöhrmann schabt und ritzt wie ein Kupferstecher oder Radierer; neben den geritzten Linien oder einem bewusst erzeugten Craquelé gibt es ganz feine Grate von Farbmaterie, die rechts und links des Pinsels, Spachtels aufgeworfen werden. Er ist Zeichner (Bleistift, Aquarell) und doch – in unvergleichlichen Farbmischungen, -durchdringungen, -überlagerungen, -transparenzen – ganz und gar Maler.