Regine Nahrwold am 14. Januar 2009
Hannover: Kubus + 3 x Kubus
Unter diesem Titel zeigt die Städtische Galerie „Kubus“ in Hannover bis zum 8. Februar drei Arbeiten von Martina Bothe, Monika Falke und Hans Wesker. Jede(r) der drei KünstlerInnen hat in dem ihm/ihr eigenen Medium und Material einen großen, begehbaren Kubus geschaffen, der nun mit den andern beiden unter den kreisrunden Oberlichtern des Raumes eine Einheit von drei Kuben im „Kubus“ bildet.
Der von Martina Bothe ist ein fragiles, ebenso verletzendes wie verletzliches Gebilde, aus dornigen Rosenzweigen zusammengesteckt. Dieses Material öffnet einen weiten Assoziationsraum, von der Dornenkrone Christi und „Maria durch ein Dornwald ging“ über Dornröschen, die Rose als Symbol der romantischen Liebe und zahllose Gedichte bis hin zu Gertrude Steins „Eine Rose ist eine Rose ist ein Rose“.
Der Kubus der Malerin Monika Falke hängt in Bahnen hauchzarter Gaze von der Decke herab, in Rosa und Gelb, den Farben, die wir in der Natur von einem Himmel kennen, an dem die Sonne auf – oder untergeht, in der Kunst vor allem von Caspar David Friedrich; „Morgenröten“ hat Monika Falke denn auch diesen Raum aus feinen Schleiern benannt.
Fest gefügt aus Holzplatten und nach außen mit abweisenden Plexiglasquadraten verschlossen, die dennoch das Umgebende als Spiegelbild aufnehmen, steht der Kubus „Klang der Stille“ von Hans Wesker da. Er verdankt sich Weskers Beschäftigung mit dem Kartäusermönch Jodocus Vredis aus seinem Geburtsort Vreden in Westfalen und ist ein „hortus conclusus“. Dieser Topos des verschlossenen Gartens ist ein Bild für die Jungfräulichkeit Mariens, das sich auf eine Zeile des Hohen Liedes Salomons bezieht: „Ein verschlossener Garten ist meine Schwester Braut, ein verschlossener Garten, ein versiegelter Quell.“ (Hohes Lied, 4,12). V.a. in der Zeit des Hochmittelalters wurde dieser Garten auf Gemälden dargestellt und zwar mit dem ganzen Liebreiz der höfischen Kultur dieser Zeit. Weskers Kubus ist außen leuchtend orange, im Innern herrscht die Komplementärfarbe Blau, die Farbe der Innerlichkeit. Aufgemalte Rosen und Lilien ranken sich auf den Innenwänden entlang, dazu der (lateinische) Spruch: „Ich sehe Dich herrlich einer Taube gleich, umgeben von den Blüten der Rosen und Lilien im Tal.“ Blumen und Worte treten langsam aus dem Dunkel hervor, zeichnen sich allmählich auf dem blauen Grund ab, je länger man schaut und – lauscht. Denn auch Klänge einer meditativen Musik sind zu vernehmen, dringen auch aus dem Block heraus, der hermetisch verschlossen erscheint, aber ganz so hermetisch denn doch nicht verschlossen ist…
Alle 3 Kuben sind völlig verschieden voneinander, man könnte vielleicht sagen: der von Monika Falke steht für die Malerei, das feine Liniengerüst der Rosenzweige von Martina Bothe für die Graphik und der Würfel von Hans Wesker verkörpert die Gattung der Skulptur/Plastik. Und doch scheinen die drei Arbeiten einen gemeinsamen Geist zu atmen, aus dem heraus sie wunderbar miteinander harmonieren. Sehr schön ist, wie alle drei sehr unterschiedlich mit der Ambivalenz von Offenheit und Geschlossenheit spielen: Wesker setzt mit Form und Material klare, harte Grenzen, überwindet sie jedoch zugleich durch die Spiegelungen und Klänge (diese dringen von innen nach außen, aber das funktioniert natürlich auch vice versa). Falke zieht bewegliche Wände ein, die bei Berührung nachgeben; Offenheit schafft sie durch die Transparenz der Stoffe, Bothe dagegen über die Durchblicke zwischen den Zweigen, deren Stachligkeit und Sperrigkeit wiederum Abwehr signalisieren.
(Und diese Rosen habe ich am letzten Tag des alten Jahres fotografiert.)