Regine Nahrwold am 18. Mai 2009
Museum: Adieu, Anton Ulrich!
Liebes gutes, altes Herzog Anton Ulrich-Museum,
mit einem netten Museumsfest hast Du Dich Ende April von der Öffentlichkeit verabschiedet, um Dich einer Sanierungs- und Verjüngungskur zu unterziehen, inklusive Umzug in den neuen Anbau an Deiner Nordseite, zum Park hin. Und wenn Du nach zwei Jahren wieder eröffnest, wirst Du hoffentlich wie der Phönix aus der Asche auferstehen: mit barocker Lebenslust, gekrönt von jenem Schuss Prunk und Glamour, der Deines Namensgebers würdig wäre und darüber hinaus das „Pfund“, mit dem Du kräftig „wuchern“ könntest! Was Deine tolle Sammlung angeht, so ist trotz Schließung des Hauses wunderbarerweise ein Konzentrat davon in der Burg Dankwarderode zu besichtigen, und das Kupferstichkabinett lässt sich mittlerweile sogar virtuell besuchen.
Eine schönes und erfolgreiches „Event“ zum Abschied war die Ausstellung „Wachgeküsst!“, die Glanzstücke aus dem Gemäldedepot präsentierte. Zudem hatten alle BesucherInnen die Gelegenheit, ihr Lieblingsbild per Stimmkarte in die neue Dauerausstellung hineinzuwählen – Museum 2.0 im besten Sinne! Die Entscheidung fiel mir nicht leicht, stand doch viel Schönes, Interessantes und auch Kurioses zur Auswahl:
Etwa die Selbstbildnisse der Schwestern Anna Dorothea Therbusch (1721-1782) und Anna Rosina de Gasc (1717-1783) , das fein gemalte „Stilleben mit Insekten und Amphibien“ von Otto Marsaeus van Schrieck (1619/20-1678) oder Jan van der Heydens (1637-1712) in klarstem Licht strahlende „Landschaft mit Schloss“. Und „Joseph als Zimmermann“, der gerade über einem mächtigen, das Bild horizontal teilenden Holzbalken die Axt schwingt, während das Jesuskind eifrig die Späne in einen Korb sammelt – so eine Darstellung (Gemälde von Eronimo Jacinto de Espinoza, 1600-1667) hatte ich bis dato noch nie gesehen!
In der Versenkung, in die er schon lange hineingehört, verschwindet nun endgültig jener Raum, der schon seit Jahrzehnten immer wieder Anlass zu Hohn, Spott, Amüsement und Empörung bot: die Cafeteria! Und jetzt, wo endlich passiert, was auch ich seit langem wünsche, beschleicht mich doch eine gewisse Wehmut:
Wieviele Stunden, ja Tage und Wochen meines Lebens habe ich dort zugebracht, vor allem als Studentin, nachdem wir uns im Seminar dem Farbauftrag von Rembrandts Familienbild, der Ambivalenz von Rubens‘ Judith, dem allegorischen Gehalt von Vermeers „Mädchen mit dem Weinglas“ oder den Werken der niederländischen Landschaftsmalerei gewidmet hatten. Auf wievielen Ausstellungseröffnungen habe ich dort in bester Stimmung mit Kollegen und Freunden geplaudert, gefachsimpelt, gelacht, nach wievielen Führungen durch das Haus und seine Ausstellungen dort „verschnauft“! Wieviele Mittagspausen habe ich während meiner Zeit im Kupferstichkabinett dort verbracht – bei freundlich kredenzten, doch stets leidigen Bockwürstchen, weil für was anderes die Zeit mal wieder nicht reichte! Wie oft habe ich dort jene „schrägen Vögel“ beobachtet, für die die Cafeteria offenbar eine Art Refugium darstellte: manche, wie die „Frau in Grün“ kamen über Jahre fast jeden Tag, andere saßen stundenlang still und stumm vor ihrer Tasse, wieder andere krakeelten herum: „War dieser Herzog Anton Ulrich eigentlich nicht mehr ganz dicht? Diese Bilder – nischt wie Sex und Gewalt!“ (Und ist’s auch Wahnsinn, so ist doch etwas Wahres daran.)
Die folgenden Fotos sind nur ein schwacher Abglanz der versunkenen Pracht, denn als ich die Cafeteria noch einmal fotografieren wollte, war sie bereits zur Garderobe umfunktioniert. Folglich gilt für die heimlichen Stars dieses denkwürdigen Interieurs, die Plastik-Spitzendeckchen mit den blauen, silbern umrandeten Kunststofftischen drunter und den Fürstenberg-Väschen drauf: Wir mussten leider draußen bleiben!
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