Regine Nahrwold am 4. Juni 2012
Ornamente, Ornamente!
Ornament. Ausblick auf die Moderne. Ornamentgraphik von Dürer bis Piranesi
Unter diesem Titel zeigt das Kunstmuseum Wolfsburg bis zum 6. Januar 2013 Kupferstiche und Radierungen von 1500 bis 1800 aus dem Herzog Anton Ulrich-Museum Braunschweig.
Das Wort „Ornament“ leitet sich ab vom lateinischen „ornamentum“, was unter anderem „Zierde“, „Schmuck“ bedeutet. Nach der bis heute vorherrschende Definition ist das Ornament eine funktionell nicht notwendige, unselbständige Schmuckform, die einem Träger aufgelegt, aufgemalt oder eingelegt ist. Gegenstand der Ornamentgraphik sind Muster und Vorlagen für Ornamente, die im Kunsthandwerk als Zierrat verwendet werden konnten. Auch in der Architektur kommen Ornamente vor: als Säulen, Vasen oder Baluster, als Friese, an Kapitellen, an den Stirnseiten von Pilastern und innerhalb gerahmter Flächen. Auf diese Ornamentik wurde ein hohes Maß an künstlerischer Phantasie verwandt, und immer wieder kam es – über die zweckmäßige Schmuckform hinaus – zu höchst originellen Erfindungen, die in den Bereich des Bildhaften hineinreichen und in denen eine ganz besondere spielerische Freude zum Ausdruck kommt. Besonders in der Ornamentform der Groteske, die sich im 15. Jahrhundert in Italien nach dem Vorbild römischer Wanddekorationen entwickelte, tummeln sich in einem architektonischen oder pflanzlichen Rahmenwerk oft Gestalten aus der antiken Mythologie oder Kinder mit Tieren, Früchten, Fratzen und skurrilen Mischwesen – halb Mensch, halb Tier oder halb Tier, halb Pflanze.
Der im 19. Jahrhundert entstandene Fachbegriff „Ornamentstich“ verrät die enge Koppelung an die graphische Technik des Kupferstichs, obwohl auch der Holzschnitt und die Radierung zu den verwendeten Techniken zählen. Ornamentgraphik kann sowohl reine Ornamente als auch jede Art von ornamentierten Gegenständen zeigen – vom Pokal und Schmuckanhänger über den Bilderrahmen, die Tapete und den Bucheinband bis hin zum Kamin oder Möbelstück, zur Wand- oder Deckengestaltung.
Die Ausstellung zeigt Ornamentgraphik, die in drei Jahrhunderten, zwischen 1500 und 1800, in Italien, in Frankreich, in den Niederlanden und in Deutschland entstanden ist. Zu sehen sind Holzschnitte, Kupferstiche und Radierungen, unter anderem nach Raffael, von Cornelis Bos und Cornelis Floris, von Daniel Hopfer, Albrecht Dürer und Heinrich Aldegrever, von Stefano della Bella, Christoph Jamnitzer, Benigno Bossi, Giovanni Battista Piranesi, François de Cuvilliés und nach Antoine Watteau. Die Exponate kommen bis auf wenige Ausnahmen aus dem Kupferstichkabinett des benachbarten Herzog Anton Ulrich-Museums Braunschweig als Kooperationspartner dieser Ausstellung.
Zu den Motiven der Ornamentik gehören Hermen (Pfeiler, die nach oben in eine menschliche Gestalt übergehen), Kandelaber (eine vielgliedrige Stütze, die einem Pflanzenstängel nachgebildet ist; auch Kerzenkandelaber), Vasen, Festons (Blumen- und Fruchtgirlanden), Trophäen, Füllhörner, Tierschädel, Delphine, Greifen, Sphingen, Eroten und Putten, Rosetten, Masken und Kartuschen. Dazu kommen als pflanzliche Ornamente: Palmetten, Akanthus(wellenranken) sowie andere Ranken und Blätter. Diese antiken Ornamente wurden von den Künstlern immer wieder nachgebildet, aber auch variiert und zu neuen Erfindungen transformiert. Zu den gezeigten Ornamenten gehören unter anderem die Groteske, das Beschlag- und Rollwerk, die Maureske, das Schweifwerk, die Kartusche, das Knorpelwerk, das Bandelwerk und die Rocaille.