Regine Nahrwold am 28. Juni 2014
Goethes Zebra – skurril und zauberhaft!
Viele Wege führen – nein, nicht nach Rom, sondern zum Zebra. Nicht zu irgendeinem natürlich, sondern zu ebenjenem, das Johann Wolfgang von Goethe auf dem Kohlmarkt erblickte, als er 1784 in geheimer Mission am Hofe von Braunschweig weilte. Just um dieses Zebra dreht sich alles in einer Ausstellung, die im Rahmen des Festivals „Theaterformen“ im Braunschweigischen Landesmuseum Hinter Ägidien und im Allgemeinen Konsumverein zu besichtigen ist, mit einer Führung des Schweizer Künstlers Hans-Peter Litscher. Die Exponate stammen aus der Sammlung des Goethe-Zebra-Forschers Bruno Bruns, einstmals in Braunschweig, nun in Afrika lebend. Noch bis zum 13. Juli, Do bis So um 18 Uhr, Sa und So auch um 15 18 Uhr.
Eine Theorie besagt, dass jeder Mensch über nur fünf weitere Leute mit einer Person auf der gegenüberliegenden Hälfte der Erdkugel verbunden ist. Zum Zebra geht’s noch geschwinder: Staunend erfahren wir von Hans-Peter Litscher, wen die Faszination für das gestreifte Tier mit wem vereint: Mozart, der Marquis de Sade und Charles Fourier, Che Guevara und Léopold Sédar Senghor, Heinrich Heine und Walter Benjamin, Marlene Dietrich und Gary Cooper sind nur einige der illustren Zebraphiles. Veruschka von Lehndorfs Zebra-Kostüm und der ZebraBra von Josephine Baker stellen in meinen Augen die absoluten Glanzlichter der skurrilen Brunsschen Sammlung dar!
Der Geheime Rath soll es in Braunschweig übrigens – so Litscher – sterbenslangweilig gefunden haben. Dabei bleibt jedoch die Mätresse Herzog Carl Wilhelm Ferdinands, die Italienerin Maria von Branconi, unerwähnt, obwohl ihr Porträt von Anna Rosina de Gasc in Kopie in der Ausstellung hängt. Sie galt zu ihrer Zeit als die schönste Frau in Deutschland und schlug – nicht nur schön, sondern auch klug und gebildet – etliche Geistesgrößen in ihren Bann. So auch unseren Dichter, der über sie schrieb, sie besitze Witz, eine ausgebildete Sprache, Widerstand und Gefühl ihrer selbst und sie siege mit Pfeilen (Charlotte von Stein dagegen siege mit Netzen).
Zum Abschluss der Führung geht es in den Allgemeinen Konsumverein, wo die Zebra-Zeitmaschine, gebaut von Thomas Bartels nach den Entwürfen von Bruno Bruns, rattert, leuchtet und schwarz-weiße sowie rote, blaue, gelbe Zebras an die Wände malt – zauberhaft! Es folgt noch die Besichtigung des vollgestopften Arbeitszimmers von Bruno Bruns, dann nix wie ab in die Zebra-Bar! Dort kann man für 17,84 Euro ein reizendes Büchlein mit 14 Zebra Gedichten Goethes, wiederentdeckt von Bruno Bruns, erwerben. (Herausgegeben wurde es von ihm und Anne Mueller von der Haegen im Verlag Howaldt Press in Braunschweig.) Wer noch 2,16 Euro drauflegt, bekommt ein Glas Wermut dazu und darf obendrein einen Blick in’s geheime Seitenkabinett werfe, wo noch ein Extra-Schmankerl wartet… (Der Wermut wurde übrigens 1786 in Italien erfunden, in dem Jahr also, da Goethe in sein Sehnsuchtsland reiste; er ist auch nach einem Gedicht von ihm benannt).
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Es soll sich übrigens in Braunschweig schon ein Kränzchen älterer, zebraphiler Damen gebildet haben, das sich jede Woche bei Wermut und gestreiftem Marmorkuchen zur Zebra-Zelebration versammelt und Goethes Zebra-Gedichte miteinander liest. Das schönste – und goetheschste! – dieser Gedichte sei darum hier zum Besten gegeben:
Schwarze Streifen, weiße Streifen.
Wer den Farbglanz nicht erwählt,
Kann, wie Newton, nicht begreifen,
Was uns Isis stets erzählt.
Sag es nur dem Regenbogen:
Keine Farbe nenn ich mein.
Bin in Braunschweig ganz verloren.
Wünsche nur, bei dir zu sein.
Klein, weit kleiner als Giraffe,
Seh ich hier das Zebra-Tier.
Und ich scheine mir ein Laffe.
Und ich wünsche mich zu dir.
Könnte ich wie Phoebus fliegen,
Wäre ich sogleich bei dir.
Schwarz und Weiß – sie beide lügen.
Farbenglanz: den gibst du mir.