Regine Nahrwold am 25. März 2015
Ausstellung: Tea Mäkipää im Kunstverein Wolfenbüttel
„Der Wunsch nach einem unverwechselbaren Markenzeichen treibt bei Künstlern mitunter seltsame Blüten!“ Dieser Gedanke schoss mir durch den Kopf, als ich von Tea Mäkipääs Ausstellung im Kunstverein Wolfenbüttel hörte. Für Yves Klein wälzten sich in den 1960er Jahren nackte Mädchen in blauer Farbe auf Leinwand herum. Joseph Beuys ließ sich 1974 mehrere Tage lang mit einem Koyoten einsperren. Rosemarie Trockel und Carsten Höller stellten 1997 auf der Documenta das Bentheimer Buntschwein aus. Und Tea Mäkipää – malte 2012 mit einem Bären! Aber der Reihe nach.
Die finnische, in Weimar lebende Künstlerin (Jahrgang 1973) zeigt in Wolfenbüttel ihre Arbeit „Prima Carnivora“, was soviel bedeutet wie „Erstes Raubtier“. Sie besteht aus Gemälden, Plastiken und einem Video, das deren Entstehungsprozess dokumentiert. Amüsiert sieht man zu, wie, von Leckereien verführt, ein großer Braunbär im Gehege sich genüsslich auf den Holzplatten schubbert, die Mäkipää zuvor mit Farbe bestrichen hat. Und wie er Köpfe aus noch feuchtem Ton, von der Künstlerin her- und aufgestellt, mit den Tatzen verbeult und zerfetzt. Reizvolle Fragmente sind das Ergebnis dieser „Dekonstruktion“. Nicht minder ästhetisch sind die „Gemälde“: aparte Farbmischungen, manchmal mit der Pranke „signiert“ und mit einer Struktur, auf die jeder Maler des Informel neidisch gewesen wäre!
Ist Kunst nicht eine Hervorbringung des überlegenen menschlichen Geistes? Und nun stammt sie von einem Tier? In nicht unbedingt neuer, aber sehr ästhetischer und humorvoller Form stellt Mäkipää die Frage nach dem Verhältnis von Mensch und Tier. (Jüngsten Erkenntnissen zufolge ist die Grenze zwischen beidem ja nicht mehr prinzipiell, sondern nur noch graduell.)
Mein erster Gedanke greift also viel zu kurz, umso mehr, wenn man „Prima Carnivora“ im Kontext anderer Werke von Mäkipää betrachtet. Ihre Fotoarbeiten, Filme, Objekte, Installationen und Performances, die schon in Deutschland, Finnland, England, Österreich, den USA und Japan zu sehen waren, drehen sich um eine radikale Zivilisations-, Fortschritts-, Konsumkritik. Sie legen unsichtbare Systeme bloß (z. B. die Wege des Abwassers) und sezieren menschliche Überlebensstrategien. „Prima Carnivora“ allein sagt darüber wenig aus, kann aber in das beachtliche und sehr eigene Werk dieser ungewöhnlichen Künstlerin hineinführen.
Zur Ausstellung gehört noch eine Arbeit im öffentlichen Raum: In einen Grünstreifen Wolfenbüttels werden 126 cm große ökologische Fußabdrücke eines Menschen gestampft. Das umfangreiche Begleitprogramm ist der Homepage des Kunstvereins zu entnehmen. (Bis zum 12. 4. 2015, Öffnungszeiten: Di-Fr 16-18 Uhr, Sa und So 11-13 Uhr.)