Regine Nahrwold am 3. Mai 2015
Ausstellung; Melanie Tilkov im Kunsthaus des BBK Braunschweig
Aus meiner Rede zur Eröffnung:
„Von Licht und Schatten. Allzu Menschliches“ – unter diesem Titel zeigt Melanie Tilkov hier drei Werkgruppen: unten Akte und die Serie der Turbanmädchen, oben die Reihe „Abgeschminkt“. Deren Ausgangspunkt ist ein Selbstbildnis, ihr Spiegelbild abends nach dem Duschen, müde und abgespannt, mit Gesichtsmaske und einem Handtuch um das nasse Haar. Dieses Spiegelbild erschien ihr plötzlich seltsam und fremd und wurde so zum Einstieg in eine sehr persönlich malerische Reflexion über das Thema des Alterns, der Vergänglichkeit, der Desillusionierung, ganz im Sinne des Spruchs „Das kannst Du Dir abschminken“.(…)
Die Akte bewegen sich in einem Zwischenreich zwischen Licht und Schatten. Naturalistisch dargestellt, sind sie in einen unendlich wirkenden Farbraum hineingestellt, in dem sie riesengroß wirken. Sie entziehen sich hinter Streifen blauer Farbe, die wie Himmel oder Wasser anmuten, und verschwimmen in einer unbestimmten Ferne. Die Unschärfe macht sie reizvoll, denn dort, wo wir nichts Genaues und Konkretes erblicken, können wir ahnen und uns alles Mögliche vorstellen. Unschärfe beschäftigt die Phantasie, wirkt geheimnisvoll und ruft das Gefühl von Transzendenz hervor. (…)
Das Turbanmädchen, Geschöpf zwischen Kind und Frau, schließlich lebt ganz in der hellen und leichten Welt des Lichts, wo es – bekleidet mit einem weißen Hemd und überhöht von einem riesigen, roten, majestätischen Turban – herausgehoben aus der Wirklichkeit und märchenhaft wie Sterntaler erscheint. Über einigen dieser Bilder liegt ein feiner Schleier weißer Ornamente wie Schneekristalle. Er trägt wesentlich zum Charakter des Irrealen, Poetischen bei. Wie Gedichte verharren diese Bilder in der Schwebe, in der Andeutung, in dem, was zwischen den Zeilen webt. Dazu die Künstlerin selbst: „Das erste Wahrnehmen ist immer das visuelle Wahrnehmen. Ich sehe etwas, eine Situation, einen Menschen, ein Tier… Unmittelbar dazu nehme ich das ‚Dazwischen‘ wahr, eine Anmutung, eine Aura…, etwas, was den Anblick für mich vervollständigt, das Innere und das Äußere. Diese Ebenen zusammenzubringen, die psychische Präsenz von etwas in bildender Kunst darzustellen, das ist mein malerischer Ansatz. Technische Fertigkeit ist hier nur die Basis, das geschichtete Arbeiten mit Öl und Tempera erst ermöglicht mir so zu malen, dass dieses ’nicht in Worte zu Fassende‘ sichtbar wird.“ (Bis 7. 6. 2015, Öffnungszeiten: Mi & Fr 15-18 Uhr, Do 15-20 Uhr, So 11-17 Uhr; Künstlergespräch am So, 7. 6., 15 Uhr)