Regine Nahrwold am 7. Juni 2015
Ausstellung: Nicolai Howalt im Museum für Photographie
Wenn Schwarzweißfotografie der „Bleistift der Natur“ ist (Henry Fox Talbot 1844), dann ist die Farbfotografie von Nicolai Howalt der „Aquarellpinsel der Natur“. Jedenfalls sind es die Fotogramme, die als Tableau auf einer Wand des Museums für Photographie Braunschweig versammelt sind: Jedes einzelne ein Bild der Sonne, ein dunkler Planet in einer Aura stark leuchtender Farben, die in fließenden Übergängen und feinsten Nuancen das ganze Spektrum des Regenbogens durchlaufen. Dabei handelt es sich um Unikate, vom Licht, das durch Linsen gefiltert und geleitet wird, direkt auf das Fotopapier „gemalt“. „Light Break“ ist denn auch der Titel der Ausstellung des dänischen Fotografen, die bis zum 12. Juli gezeigt wird.
Der farbige Kosmos ist jedoch nur eine Facette eines Projekts, in dem Howalt sich mit dem Werk des dänischen Arztes Niels Ryberg Finsen beschäftigt hat. Dieser erhielt 1903 den Nobelpreis für Physiologie und Medizin für seine Entwicklung einer Therapie für Gesichtstuberkulose mit Hilfe von Lichtstrahlen. Dafür nutzte er jenen Bereich des elektromagnetischen Spektrums, das Keime töten kann: die blauen violetten und ultravioletten Strahlen. Finsens Sammlung an Apparaturen, Dokumenten und Fotografien im Medicinsk Museion in Kopenhagen wurde für Howalt zum Ausgangspunkt seiner Auseinandersetzung mit der Entdeckung des Arztes, mit der Wirkung der Strahlen auf die Haut wie auch auf das Fotopapier. Sein Ziel dabei: das Unsichtbare sichtbar machen.
Ein Teil seines Projekt sind Repoduktionen von Aufnahmen, die Patienten während der Behandlung zeigen. Halbnackt, mit seltsamen Masken und Hüten zum Schutz der Augen unterziehen sie sich der Bestrahlung – absurde Szenarien, die wie spiritistische Sitzungen oder Kunstperformances der 1970er Jahre anmuten, von einer unterschwelligen libidinösen Strömung durchzogen. Für einen zweiten Teil hat Howalt Finsens Apparate fotografiert, die, stark vergrößert, etwas Magisches bekommen. Da wird etwa eine Linse zur riesigen Pupille, in der sich ein Fenster spiegelt wie in einem von Dürer gemalten Auge. Der dritte Teil, jener Kosmos farbiger Fotogramme, die die metaphysische Dimension des Lichts einfangen, entstand mithilfe von Finsens Linsen, die das Medicinsk Museion dem Künstler zur Verfügung stellte. Für Nicolai Howalt beschreibt seine „Auseinandersetzung mit Licht in dieser Arbeit eine wundersame Reise zu den Wurzeln der Fotografie – zu ihrem Wesen, ihren Mythen und Verfahrensweisen.“Hochinteressant und sehr schön!
(Bis 12. 7. 2015, Öffnungszeiten: Di–Fr 13–18 Uhr, Sa und So 11-18 Uhr)