Regine Nahrwold am 1. September 2015
Jahresausstellung des BBK Braunschweig im Raumlabor
„Moleküle des Gedächtnissen“ von Anna-Maria Meyer, hinten Friedhelm Kranz
Fangen wir doch mal mit zwei Titeln an: „Wer die Natur beherrschen will, muss ihr gehorchen“ . So hat Ingeborg Hollmeyer ihre Graphitzeichnung genannt, die akribische Studien von Federn, trockenen Blättern, Früchten, Schneckenhäusern usw. auf einem großen Blatt vereint. Beides, Titel und Bild, sind späte Nachfahren Dürers und seines Diktums „Die Kunst ist in der Natur, und wer sie heraus kann reißen (= zeichnen), der hat sie“. Gänzlich anderer Ansicht dürfte da Knut Balandis sein: „Da, wo der Kleingärtner seine Mistforke schwingt, stirbt ein Unbefugter“ heißt seine Bleistiftzeichnung, in deren zartem Liniengespinst und sanften Grautönen nur hier und da etwas Gegenständliches auftaucht.
Figurengruppe von Jürgen Neumann, hinten Jürgen Brohm
Weitere Kontraste wie dieser prägen die Jahresausstellung 2015 des Bundes Bildender Künstler, die – diesmal ohne übergreifendes Thema – wieder eine große Bandbreite an Kunstgattungen, Ausdrucksformen, Techniken und Niveaus präsentiert. Drei große Skulpturen beherrschen als Blickfang den zentralen Raum: die „Moleküle des Gedächtnissen“ aus lackierten und verklebten Gummibällen von Anna-Maria Meyer, Jürgen Neumanns „Clap Hands 3“, eine Gruppe expressiver, überlängter Figuren aus geflammten und lasiertem Holz, sowie KM Twinns „Gebäude, öffentlich, dekonstruktivistisch, unbezahlbar“ aus Bierfilzpappe. Dem stehen eine Reihe von kleineren, stillen Arbeiten gegenüber, die man in der Menge vielleicht erst auf den zweiten Blick entdeckt, und das lohnt sich: Da wären die Fotoarbeiten „Es hat etwas stattgefunden, aber nicht für mich“ von Christin von Behrbalk sowie „Hope“ von Yvonne Salzmann. Letztere eine fast monochrom-graue Fläche, in der sich erst bei genauem Hinsehen die Silhouette eines Schiffs und eine Gischtwolke abzeichnen. Ein Wasserglas, gemalt im Stil der neuen Sachlichkeit von Horst Schmidt, feine Farbschichtungen auf Papier von Rosi Marx, die Collagen/Zeichnungen abstrahierter Pflanzenmotive von Claudia Gropp und die zauberhaften Stickzeichnungen auf Leinwand von Valerie Hanisch gehören ebenfalls dazu.
„Cloelia“ von Holger Lassen, hinten Susanne Hesch
Die naturalistischen bzw. hyperrealistischen Plastiken „Cloelia“ von Holger Lassen und „Deutsches Trio“ von Ingo Lehnhof bilden einen Gegenpol zu den Arbeiten von Michael Ewen und Uve Mehr, die dem Konstruktivismus und der Op-Art nahestehen. Ungegenständliche, farbstarke Malerei von Jürgen Brohm und Sascha Dettbarn, in der noch das Informel nachklingt, auf der einen Seite, auf der anderen Fotografie, z.B. die Serien „Was bleibt, ist nur die Illusion eines Gletschers“ von Franziska Rutz, „Das Paradies einer alten Dame“ von Irene Heimsch oder „Tel Aviv“ von Gerd Druwe.
87 Werke von 51 Künstlerinnen und Künstlern zeigt die Ausstellung. Großes Lob der Präsentation, die die Gegensätze zu Ruhe und Klarheit gebändigt hat und dabei doch der Vielfalt Rechnung trägt.
Ingo Lehnhoff, „Deutsches Trio“, hinten Rosi Marx, Michael Ewen, Irene Heimsch