Regine Nahrwold am 23. November 2015
Gerhard Scharnhorst im raumLabor
NetzWerkZauber, 2015
Die Farbe! Sie läuft, leuchtet, atmet, pulsiert, schwebt, dehnt sich aus und öffnet Tiefenräume – auf den Bildern von Gerhard Scharnhorst. Der Maler, der unter anderem mit dem Rudolf-Wilke-Preis der Stadt Braunschweig ausgezeichnet wurde, präsentiert unter dem Titel „sehen… weiter… gehen“ zur Zeit eine Auswahl seiner Arbeiten aus den letzten zehn Jahren im raumLabor in der Hamburger Straße.
Stipendien und Reisen führten Scharnhorst unter anderem nach Indien, Israel, Griechenland, in die Türkei, und es ist, als habe er die intensiven Farben der südlichen Sonne und des indischen Kontinents durch die Augen aufgesaugt und von dort in seinen Pinsel fließen lassen: sattes Orange, strahlendes Rot, tiefe Blautöne, ein Schwarz oder Weiß, in das feinste Nuancen anderer Farben hineingewoben sind.
Der Maler schüttet die stark verdünnte Farbe auf die Leinwand, wo sie sich wie in einem Aquarell in Flecken und Flächen ausbreitet, sich mischt, in vibrierenden Rinnsalen verläuft, Netzwerke ausbildet. In dieses „Urchaos“ greift er dann lenkend ein, und arbeitet im „kairos“, dem glücklichen Augenblick, das Zufällige bewusst aus. So entstehen gerade Linien, Diagonalen, scharfe Kanten. Die Querformate haben manchmal die Anmutung einer Landschaft, ohne doch eine solche abzubilden. Alles bleibt offen und lässt der Phantasie des Betrachters Raum. Fließende Bewegung und konstruktive Ruhe, Emotion und Ratio, Chaos und Ordnung, Dichte und Leere, Be- und Entschleunigung, Begrenzung und Öffnung sind die Polaritäten, mit denen sich das Geschehen auf den Leinwänden beschreiben lässt.
Danach… aufwirbelnd!?, danach… Licht!?, entstehen und vergehen, Labyrinth, Verwirbelung, EnergieRaum, NetzWerkStröme, NetzWerkMagie – das sind die poetischen Titel dieser Werke. Eine Schlüsselfunktion nimmt für den Künstler das Bild „BlauKreuz transparent“ ein. Dieses Kreuz – ein religiöses Symbol? Ganz sicher nicht, es ist eine rein formale Angelegenheit. Aber wer mag, darf in der Malerei von Gerhard Scharnhorst mit ihren weiten Horizonten ruhig eine spirituelle Dimension erblicken.
(Bis 6. 12. raumLabor, Hamburger Str. 267, Öffnungszeiten: Mi und Fr 16-19 Uhr, Do 15-20 Uhr, Sa und So 11-18 Uhr)
NetzWerkWärme, 2015