Regine Nahrwold am 4. Dezember 2015
Julia Schmid im Kunstverein Wolfenbüttel
Diese Blumen- und Pflanzenbilder vergisst man so schnell nicht wieder! In quadratischen Bildfeldern oder extremen Querformaten sind Stengel, Blüten, Blätter, Beeren, Samenkapseln, Ranken, Unkräuter als lockeres Gefüge arrangiert und, wie in einer botanischen Zeichnung, ganz genau wiedergegeben. Von den Bildrändern überschnitten ragen sie, stark vergrößert und klar konturiert, farbig in die leere Mitte des weißen Bildgrunds hinein, wo die Linien und Formen zugleich eine lebendige grafische Struktur bilden.
Diese „Sammelbilder“ sind jedoch nur eine Facette des Werkes von Julia Schmid und wohl die, die mit ihrer Schönheit den Betrachter zuerst am meisten anspricht, um ihn dann weiter in einen faszinierenden Kosmos hineinzuziehen. Schmid beschäftigt sich mit Natur im urbanen Raum und realisiert ihren künstlerischen Gedanken in den Medien Malerei, Zeichnung, Fotografie und Fotogramm, Installation, Stickerei, Buch und Text. Sie arbeitete bisher in Hannover, wo sie lebt, in Lehrte, Braunschweig, aber auch in New York sowie in Madrid und Helsinki. Dorthin reiste sie mit dem Preisgeld des Bonner Kunstpreises, den sie 2011 gewann. Nun gibt eine sehr sehenswerte Ausstellung mit dem bedeutungsvollen Titel „schnüren“ im Kunstverein Wolfenbüttel Einblick in ihre Arbeitsweise.
Schmid startet ein Projekt, indem sie auf dem Stadtplan ein Biotop definiert. Dort sammelt sie Pflanzen, die sie dann in den „Sammelbildern“ portraitiert. Am ausgewählten Ort entstehen Fotos, Aquarelle, Pläne von Wegstrecken. Bleistiftzeichnungen, aus deren fein gesponnenem Liniennetz sich Landschaften, Stadtansichten, Tiere herauskristallisieren. Exakte, streng lineare Zeichnungen von Hausfassaden. Manchmal Karten, als zarte Liniengespinste mit Nadel und Faden auf Textil gestickt. Nüchtern-sachliche Objektbeschriftungen beschreiben den Kontext der Entstehung wie eine Versuchsanordnung.
Der Wolf bildet den Mittelpunkt der Wolfenbütteler Ausstellung. Dieses wilde Tier und sein Wiedereindringen in die Zivilisation beschäftigt die Künstlerin seit sie in den Dioramen des Landesmuseums Hannover zeichnete und dort das Fehlen des Wolfes bemerkte. In der Ausstellung ist es in Zeichnungen und als Silhouette in einer Installation präsent. Ein Buch dokumentiert den Medienhype um die Frage „Ausbreitung zulassen oder zurückdrängen?“ (Kunstverein Wolfenbüttel, bis 13. Dezember 2015, Öffnungszeiten: Di-Fr 16-18 Uhr, Sa und So 11-13 Uhr)