Regine Nahrwold am 5. Februar 2016
Philip Grözinger im Kunstverein Wolfenbüttel
Wer hat Angst vom Schwarzen Mann? Der sollte den Kunstverein Wolfenbüttel jetzt lieber meiden, denn genau dem begegnet man dort zur Zeit auf den Bildern von Philip Grözinger. Etwa als „Black Brunswicker“ mit Totenkopf-Emblem. Oder als mächtige, fast schon mythische Gestalt eines Torwarts, der sich von den weißen Stollenschuhen bis zu den blauen Handschuhen diagonal durchs Bildfeld spannt, um in der linken oberen Ecke den Ball abzufangen. Eine knallrote Eins prangt auf seiner Brust, und aus den leeren, weißen Augenhöhlen zucken Farbrinnsale wie Blitze. Dass das Bild – kein Portrait! – den Namen des ehemaligen Eintracht-Torwarts Bernd Franke trägt, ist sicher als Referenz des Künstlers an Braunschweig zu verstehen. Sechzehn Jahre nach Abschluss seines Studiums an der HBK Braunschweig hat der Meisterschüler von Karl Schultz nun die erste institutionelle Einzelausstellung in seiner Heimatregion.
Eine Motorhaube mit dem Datum 7.3.1983 ist eine Hommage an einen zweiten Eintracht-Spieler. Lutz Eigendorf, in der DDR aufgewachsen, setzte sich 1979 in die BRD ab und verunglückte an jenem Tag tödlich mit dem Auto. Die Kindheit und Jugend im Zonenrandgebiet, wo östlich des Grenzzauns die terra incognita begann, hat Grözinger geprägt. Und terra incognita betritt man mit Augen und Kopf auch beim Betrachten seiner Malerei: Da tun sich tiefe, finstere Bildräume und von fahlem Licht nur spärlich erhellte apokalyptische Landschaften auf, in denen sich abstruse Wesen tummeln: Tiere, Astronauten-Roboter und ungeschlachte Kolosse, oft mit Kabeln und Schläuchen an geheimnisvolle Planeten angeschlossen oder in einem kleinen Boot einsam auf dem Meer treibend. Polyeder, grelle Sonnen und andere Himmelskörper zischen vorbei. Auf den ersten Blick wirkt das Personal dieser traumhaften Szenarien putzig und kurios, auf den zweiten dämonisch. Man fühlt sich an Höllendarstellungen von Hieronymos Bosch erinnert.
Diese düstere Bildwelt geht einher mit einer bewusst dilettantischen Malweise. Die überwiegend bunten Farben sind pastos mit breitem Pinsel aufgetragen, die dargestellten Figuren und Dinge bis hin zu liebevoll gemalten Blümchen wirken kindlich-unbeholfen, fast naiv. Doch Obacht: Das Ganze ist eine explosive Mischung! (Kunstverein Wolfenbüttel, Reichsstr. 4, Wolfenbüttel, bis 21. 2. 2016. Neue Öffnungszeiten: Mi-Fr 16-18 Uhr, Sa und So 11-13 Uhr und nach Vereinbarung)