Regine Nahrwold am 3. April 2016
Magnus Kleine-Tebbe und Rudolf Jahns in der Jakobkemenate Braunschweig
„Können, Künden, Kennen, Gunst und Kontroverse sind die fünf von mir persönlich genannten Bedingungsfaktoren für Kunst.“ So lautet das Credo des Bildhauers Magnus Kleine-Tebbe, der nach 50 Lebensjahren und 25 Jahren im Dienst der Kunst mit einer Ausstellung in der Jakobkemenate „Eine Zwischenbilanz“ zieht. Im Erdgeschoss der Kemenate drängen sich auf engstem Raum viel zu viele teils lebensgroße Gipsfiguren mit pathetischen Gebärden und wallenden Gewändern vor einem Gemälde von Ben Willikens, das in Grautönen den menschenleeren Saal von Leonardo da Vincis Abendmahl zeigt. Die Figuren, die aus dem Bild verbannt seien, habe er in diese Leere wieder hineinstellen wollen, so Kleine-Tebbe.
Auf die Frage, wie er sich in den vergangenen 25 Jahren entwickelt habe, antwortet er, er arbeite noch immer so wie zu seinen Studienzeiten 1988-1994 in Nürnberg, wo er die Proportionslehre von Albrecht Dürer sowie die spätgotischen Meister Veit Stoß und Adam Kraft studiert habe. Als Könner und Künder sieht er sich selbst – er nennt sich absichtsvoll „Christlicher Bildhauer“ – und als Kenner sowie.Die Einflüsse, die ihn gebildet haben, reichen nach eigenen Angaben von der Antike, der Gotik und Michelangelo über den Barock bis zu Jürgen Weber, dessen Assistent er 1994-2000 war. Ja, fehlen da nicht mindestens noch Bernini und Rodin? Anders gesagt: Geht es auch eine Nummer kleiner? Und was ist mit Brancusi, Giacometti, Picasso oder Henry Moore?
„Aus der Moderne bin ich herausgefallen“, sagt der Künstler selbst von sich. Er habe sich für die Popularität entschieden, auch um seine fünf Kinder zu ernähren – zwei entwaffnend ehrliche Aussagen, die Respekt verdienen. Doch seine Kunst wird dadurch nicht besser, denn Kleine-Tebbe ist im 19. Jahrhundert steckengeblieben. Ein bronzener Frauenkopf mit gewaltiger Haarmähne könnte auch von Max Klinger oder Fritz Klimsch stammen. Ein Selbstbildnis als Friedrich Schiller – peinlich! Der Kopf eines kleinen Mädchens und eine Bronzestatuette der schwangeren Ehefrau gehören noch zum Besten, was die Ausstellung zu bieten hat.
Wie anders dagegen die leisen Arbeiten von Rudolf Jahns, die im Obergeschoss der Jakobkemenate unter dem Titel „Der Poet unter den Abstrakten“ zu sehen sind. Jahns lebte ab 1902 in Braunschweig, ab 1920 in Holzminden. In den 20er Jahren hatte er Kontakte zur Berliner Künstlerszene um Herwart Waldens „Der Sturm“ und gründete in Hannover mit Kurt Schwitters die Künstlervereinigung „die abstrakten hannover“. In Holzminden wurde ihm sein Internist Dr. Jacob Köbberling ein guter Freund und Vertrauter. Ihn beschenkte Jahns mit einer ansehnlichen Zahl von Kunstwerken, die nun erstmals zu einer Ausstellung zusammengeführt wurden: Radierungen feinster Liniengespinste, Siebdrucke nach Zeichnungen aus den 20er Jahren, Malerei auf Glas und zwei Ölgemälde geben Einblick in sein Schaffen. Diese Arbeiten des 1896 geborenen Künstlers wirken noch immer jung und neu. (Jakobkemenate, Eiermarkt 1A, Öffnungszeiten: Mo – So 12 – 18 Uhr. Zur Ausstellung von Magnus Kleine-Tebbe wird ein umfangreiches Begleitprogramm angeboten, darunter Führungen des Künstlers.)