Regine Nahrwold am 24. April 2016
Ausstellung ARTgeschoss in der Welfenakademie Braunschweig
Matthew Davis (Ausschnitt)
Ein kraulender Schwimmer mit grüner Schutzbille, gerade holt er Luft und setzt zum nächsten Zug an. Eine Momentaufnahme des britischen Malers Matthew Davis, zusammengesetzt aus tausenden winzigen Lachen flüssiger Ölfarbe. Dmitrij Schurbin, Kurator der Ausstellung ARTgeschoss berichtet: Der Maler trägt die Farbe nicht mit dem Pinsel auf, sondern lässt die Farbtropfen von oben auf die Leinwand fallen, oft sogar in mehreren Lagen übereinander. Menge der Farbe und die Stelle im Bild müssen dabei natürlich exakt kalkuliert werden. Kunst oder Kunststück? Das ist hier die Frage.
Nach Wolfenbüttel findet Artgeschoss nun, zum 3. Mal, in der Welfenakademie in Braunschweig statt. 55 Künstler aus Deutschland, Europa und Japan beteiligen sich mit ihren Gemälden, Skulpturen, Grafiken, Fotografien und Performances. Dabei geht es dem Kurator nicht um eine bestimmte Kunstrichtung, sondern um Kunst auf hohem Niveau, soll heißen: eine Idee mit einem hohen Maß an handwerklichem Können professionell umzusetzen. Und handwerkliches Können zeichnet in der Tat die meisten der Künstler aus. Gerade von den Malern beherrschen viele perfekt ihre Maltechniken, oft in geradezu altmeisterlicher Perfektion (Felix Wunderlich). Doch was sind die Ideen? Bei den Bildgegenständen handelt es sich etwa um Waldstudien, mit Holzstücken aus demselben gemalt (Konstantin Dery), um konstruierte Stilleben (Mirko Schallenberg), um ausgeklügelte Allegorien (Dmirtij Schurbin selbst), um Religiöses (Adelchi Mantovani), Abstruses (Napoleon als Affe mit Banane von Guido Zimmermann) oder Stilisiert-Dekoratives (Anna Silivonchik, Ekaterina Chekalina).
Mirko Schallenberg
Adelchi Mantovani
Anna Silivonchik
Das Meiste davon ist mehr Kitsch als Kunst, die technische Virtuosität wird zum Selbstzweck. Vieles ist gefällig, effekthascherisch und scheint bedeutungsvoll, ohne es wirklich zu sein. Eine tolle Malerin ist z.B. Edite Grinberga. Doch was will sie uns sagen mit ihrem im weiten Raum verlorenen Tanzschuh, kombiniert mit einer Spiegelscherbe? Die Einsamkeit der Primaballerina? Oder doch nur l’Art pour l’Art? Richtig schlimm: ein brüllender Schimpanse aus Heißkleber (Gernot Baars) und Tierplastiken, von denen in großen Schlieren und Tropfen eine schwarze, zähflüssige Masse herabrinnt (Florian Breetzke).
Edite Grinberga
Einige bescheidenere Arbeiten ragen aus der Sammlung qualitativ heraus. Dazu zählen manche der Landschaftsbilder von Birgit Borggrebe, das Gemälde „Museum“ von Jens Hausmann, die klassischen Skulpturen von Holger Lassen und vor allem die feinen Collagen von Fehmi Baumbach.
Jens Hausmann, „Museum“
Vielleicht ist aber auch alles ganz anders, und hier waltet ganz einfach ein Kunstgeschmack, der nicht der der Rezensentin ist. Artgeschoss wird auf jeden Fall auch in diesem Jahr wieder viele Besucher anziehen, und das ist den Künstlerinnen und Künstlern sowie dem Kurator auch zu wünschen. (Welfenakademie, Salzdahlumer Str. 160, Öffnungszeiten: Mo – Fr, 8 – 18 Uhr. Kostenlose Kuratorenführungen jeden Donnerstag um 16 Uhr)