Regine Nahrwold am 15. September 2016
Ausstellung: Klara Liden und Karl Holmqvist im Kunstverein Braunschweig
Foto: Kunstverein Braunschweig
„BLEIBE / RESTEZ / STAY“ – mit diesen Worten, geschrieben auf einen einfachen Pappkarton, der im Foyer des „Salve Hospes“ rotierend von der Decke hängt, empfangen Klara Liden und Karl Holmqvist im Kunstvereins Braunschweig zu ihrer gemeinsamen Ausstellung „Werk“.
Bleiben und sitzen darf man an einigen Stellen, sogar auf der Kunst. Auf einem Teppich von Holmqvist (geboren 1964 in Västerâs, Schweden) zum Beispiel. In ihn eingewebt ist die Buchstabenfolge „I.N.“ in endloser Wiederholung und mehreren Reihen. Gelesen werden kann sie als „I“ (Ich) und „N“ für „N.N.“, also Nomen nominandum (Namen noch zu nennen) für eine noch nicht bekannte Person. Im Teppich wie auch in seinen Bildern und Grafittis spielt der Künstler mit der möglichen Bedeutung von Texten und ihrer gleichzeitigen Auflösung. Denn unsere Rezeption dieser Arbeiten changiert zwischen Lesen und Wahrnehmen der Buchstaben- und Wortfolgen als rein ästhetische grafische Elemente. Diesen grafischen Charakter hebt sowohl die Schreibweise in gleichberechtigten Großbuchstaben hervor als auch die auf den stärksten Kontrast reduzierte Farbigkeit von Schwarz auf Weiß oder, in den Videos, Weiß auf Schwarz. Zu den Videos ist Holmqvist zu hören, wie er seine eigenen Texte liest mit einer Diktion, die jede Bedeutung durch Pausen und Phrasierung absichtsvoll unterläuft. Das alles ist sehr puristisch, karg – nicht gerade ein Buch mit sieben Siegeln. Feine Arbeiten sind Holmqvists Künstlerbücher, Leporellos, im Zickzack in Vitrinen aufgestellt, von denen eines typografisch die Skyline von New York nachzeichnet.
Foto: Kunstverein Braunschweig
Klara Lidens (geboren 1979 in Stockholm) Thema ist der urbane Raum. Sie löst Alltagsgegenstände aus ihren funktionalen Zusammenhängen, bearbeitet sie und stellt sie aus. Wieder einmal eine stark konzeptuell ausgerichtete Kunst, deren gedanklicher Hintergrund sich aus den Werken nicht ohne weiteres erschließt. Dazu gehören Verkehrsschilder und weiß gestrichene Bauzäune, die sich abweisend in den Weg stellen, hinter denen dann aber intime, kleine Räume mit Sitzgelegenheiten und Schreibtisch zu entdecken sind. Den Spiegelsaal (Direktorin Jule Hillgärtner: „Ich kriege hier ab und zu den Schnörkelkoller!“) hat die Künstlerin mit einer riesigen Box aus Pappe ordentlich gegen den Strich gebürstet. Darin läuft ein Video, das sie mit Holmqvist bei einer Tanzperformance zeigt, deren Sinn rätselhaft bleibt. Doch die beiden schönsten Arbeiten der ganzen Ausstellung stammen von Liden: die eine besteht aus aufeinander montierten Plakaten, deren weiß überklebte Rückseite nach außen gewandt ist. An den Rändern um diese leere Mitte wellen sich die Papierschichten, blättern sich auf und lassen etwas von ihrer farbigen Seite ahnen. Die andere ist eine Fotoarbeit, zusammengesetzt aus vielen digitalen Schwarzweißaufnahmen einer mit Graffiti bekritzelten Biergartengarnitur, von oben aufgenommen. Tisch und Bänke werden dabei abstrahiert zu unscharfen hellen Streifen auf grauem Grund, die Graffiti erscheinen als geheimnisvolle Zeichensprache. (Bis 13. 11., Kunstverein Braunschweig, Lessingplatz 12, Öffnungszeiten: Di-Do, 11-17 Uhr, Do 11-20 Uhr. Führungen jeden So, 15 Uhr, Kuratorenführungen jeden Do, 18 Uhr)
Foto: Kunstverein Braunschweig