Regine Nahrwold am 12. Oktober 2016
Ausstellung „timeless – MADmusée zu Gast bei Geyso20“
Eine vielköpfige Menschenmenge, von Georges Wilson (USA) mit Pastellkreiden auf Papier gebannt, blickt den Gästen der Galerie Geyso20 mit übergroßen Augen erwartungsvoll entgegen. So legt es jedenfalls der Schriftzug „timeless – MADmusée zu Gast bei Geyso20“ daneben nahe. Zeitlos wie die Werke großer Künstlerinnen und Künstler, die schon den „test of time“ bestanden haben, sollen die Arbeiten sein, die das Museum in Lièges, Belgien, von Menschen mit geistiger Behinderung aus aller Welt sammelt. An die 2500 Kunstwerke aller erdenklichen Gattungen und Techniken hat das 1998 gegründete Haus für Kunst von aus der Normalität „Ver-rückten“ bereits zusammengetragen. Ein kleiner Teil davon ist nun in den Ausstellungsräumen des Lebenshilfe-Ateliers zu sehen – Schöpfungen voller Kreativität und Phantasie mit zum Teil erstaunlichen Parallelen zu Phänomenen der modernen und zeitgenössischen Kunst, was aber auch durch die Auswahl durch die Kuratoren bedingt sein mag.
Inès Andouche
„Verrückt“-Sein bedeutet: keine Kontrolle über die eigenen Affekte zu haben, Gefühle werden unzensiert ausgelebt, Innen und Außen entgrenzen sich und fließen ineinander, erläuterte Frederik Poppe von der Bundesvereinigung Lebenshilfe Berlin in seiner Rede zur Eröffnung. Diese Veränderung der Wahrnehmung sei für Kreativität und Kunst eine positive Voraussetzung, schon Platon habe von produktivem Wahnsinn gesprochen.
Daniel Sterckx
Die Auswahl der Kunstwerke durch die Kuratoren des MADmusée gliedert sich nach inhaltlichen oder formalen Kriterien in vier Komplexe. Zum einen „Personen“, darunter neben der eingangs genannten Pastellzeichnung auch ein fast abstrakter Kopf von Daniel Sterckx (Belgien) in Pastell und Tinte auf Papier; er erinnert etwas an den frühen Horst Antes oder Überzeichnungen von Arnulf Rainer. Zu den in Farbflächen angelegten Kompositionen zählt eine große Arbeit mit Pastellkreiden auf Stoff von Inès Andouche (Belgien), ein Zwitter aus Stilleben und Interieur, in dem Mobiliar und alle möglichen Geräte parallel neben- und übereinander angeordnet sind. Aus der Gruppe der akribisch-präzisen Arbeiten sticht eine vielfältig beschriftete Filzstift- und Kreidezeichnung mit dem witzigen Titel „Der Blumentopf als Putzer“ von Dirk Geffers (Braunschweig) heraus; „Die letzte Bildfläche“, „Der Tontopfbesen als Putzer als Säuberer“ sowie „Vorsicht verwirrender Putzer wie Kommissar Rex“ steht noch darauf zu lesen.
Dirk Geffers
Zu den besonders intensiven, dichten Objekten gehören ein toller Frauenhut, üppig mit kitschigen Rosenblüten besteckt, von Pascal Tassini (Belgien) und zwei eingenähte, obsessiv bestickte Teddybären von Laura Delvaux (Belgien) – Rosemarie Trockel lässt aus der Ferne grüßen.
Eine interessante und erfreuliche Ausstellung, der allerdings ein paar mehr Exponate gut getan hätten. (Geysostr. 20, Öffnungszeiten: Montag bis Freitag 13 – 17 Uhr und nach Vereinbarung)
Pascal Tassini
Laura Delvaux