Regine Nahrwold am 14. November 2016
Ausstellung „Hommeland“ von Thomas Rentmeister im Kunstverein Wolfenbüttel
„Ich freue mich, dass Sie die Lagerstatt hier auf das Feinste plaziert finden!“, begrüßte Günther Langer die Gäste des Kunstvereins Wolfenbüttel zur Eröffnung der Ausstellung „Hommeland“ von Thomas Rentmeister. Die Lagerstatt – das ist eine überdimensionale Konstruktion aus rostigem Stahl, Hochbett ebenso wie beängstigend raumgreifende Skulptur, die auch wie eine Hommage an den russischen Konstruktivismus anmutet. Diagonal und sperrig hält sie den Raum besetzt, scheint ihn fast zu sprengen; aggressiv recken sich die Balken in alle Richtungen. Ihre Alter suggerierende Patina kontrastiert heftig mit dem Weiß der fabrikneuen Matratzen. Fünf Liegeplätze übereinander gibt es, jedoch so dicht und eng, dass niemand dort wirklich schlafen könnte – ein irritierender Widerspruch zwischen Gastfreundschaft und Feindseligkeit. Weitere Exponate unter anderem: eine orangefarbene Kindermatratze auf dem Boden, ein gusseisernes Objekt, ebenfalls mit samtigem Rost überzogen und neben einem schwarzen Holzquader in einen verwitterten Holzverschlag eingelassen, sowie ein Schwarzweißfoto des Interieurs einer norwegischen Hütte. Alles sehr ästhetisch in Formen, Farbigkeit und der Kombination der Materialien. Der präzise Umgang mit Volumen im Raum und die sensible Behandlung von Oberflächen kennzeichnen das Werk des Professors für Skulptur an der HBK Braunschweig.
Und der Titel der Ausstellung? „Hommeland“ erinnert natürlich sofort an „Homeland“, „Heimat“, und an die gleichnamige amerikanische Fernsehserie um Nicholas Brody, den Heimkehrer aus dem Irakkrieg und seine mögliche Verstrickung in den Terrorismus. Doch auch „Pommerland ist abgebrannt“ lässt sich dazu assoziieren sowie „homme“, das französische Wort für „Mensch“. Annette Tietenberg, Professorin für Kunstwissenschaft und Vizepräsidentin an der HBK, fiel dazu gar „Lummerland“ eine, jene kleine Insel, von der Michael Ende seine Helden Lukas und Jim Knopf zu abenteuerlichen Reisen und Verwicklungen aufbrechen ließ. Doch solche liebe Rentmeister ganz und gar nicht, seine Arbeiten stehen für Klarheit und Präsenz, die aus der Anwesenheit von Materialien resultiere, für das, was der amerikanische Künstler Frank Stella einmal mit „What you see is what you see“ bezeichnet hat. Tietenberg schlug in ihrer Rede einen weiten Bogen vom Begriff „Heimat“ des Philosophen Ernst Bloch bis zur Ästhetik der klassischen Minimal-Art, um schließlich bei Behaustsein und Unbehaustsein des Menschen anzukommen – dem zentralen Thema von Rentmeisters Werk. Die Fremdheit, die Einzug ins Leben hält, sei dabei nicht an tagespolitische Ereignisse gebunden, sondern conditio humana, eine Grundbedingung des Wesens Mensch. Dass trifft den Kern der Sache. (Bis 4. Dezember, Kunstverein Wolfenbüttel, Reichsstr. 4, Öffnungszeiten: Mi-Fr 16-18 Uhr, Sa und So 11-13 Uhr. Gespräch mit dem Künstler am Dienstag, 15. November 2016, 19:00 Uhr)