Regine Nahrwold am 2. April 2017
Ausstellung „andere Situation“ im Museum für Photographie Braunschweig
„andere Situation“ heißt die neue Ausstellung im Museum für Photographie. Eine andere Situation schuf Florian Slowata (geb. 1972) 2009 bis 2012, als er das Interieur seines Ateliers, vom Inventar befreit, aus unterschiedlichen Blickwinkel fotografierte. Eine Serie von 36 nüchternen Schwarzweißaufnahmen entstand, in denen die leeren Räume zu verheißungsvollen Metaphern für zukünftige Ideen und Gestaltungsprozesse wurden. Slowata, erst Professor an der Universität der Künste Berlin, dann an der Kunsthochschule Kassel, war Lehrer der ferner beteiligten vier Künstlerinnen und Künstler. Alle fünf haben in vier Räumen ihre Arbeiten zu feinfühlig abgestimmten Kompositionen zusammengefügt, sowohl innerhalb der jeweiligen Raumgrenze als auch darüber hinaus. Dabei bleibt Slowata mit nur sieben Aufnahmen seiner Serie ganz im Hintergrund und lässt seinen Schülerinnen und Schülern den größten Spielraum.
Mickaël Marchand
„Ich bin eigentlich gar kein Fotograf“, sagt Mickaël Marchand (geb. 1982) von sich. 2009-2015 hat er, inspiriert von multiperspektivischen Bildern David Hockneys, in den Straßen Berlins aus dort vorgefundenen Dingen instabile Skulpturen gebaut, sie aufgenommen und diese Bilder wiederum zu Dia-Collagen zusammengefügt. Im dunklen Ausstellungsraum strahlen sie an den Wänden. Die Projektoren sind eingehaust in Kästen, die auf fragilen „Sockeln“ aus Kuben, Stühlen, Bänken stehen und so selbst wieder eine Skulptur bilden. Ausgehend vom einzelnen Ding über das Arrangement im Stadtraum, die Fotos und Collagen bis zur Skulptur wächst mit jedem Schritt die Komplexität bis hin zu dekonstruktivistischen, dreidimensionalen Ensembles, die im Raum miteinander und mit den Projektionen interagieren – eine Arbeit von faszinierender Vielschichtigkeit!
Romina Abate
„Welche Bedeutungsebenen außer denen, die wir schon kennen, können die Dinge noch haben? Wie entstehen Bedeutungsverschiebungen?“ fragt Romina Abate (geb. 1982). Sie sammelt Alltagsgegenstände, Gefundenes, Zurückgelassenes und baut diese Objekte mit Fotos zu raumgreifenden Installationen zusammen, in die sie oft Selbstinszenierungen einfügt. So posiert sie in einer klassischen Haltung auf einem Stein, dahinter ein weißes Rechteck wie beim Fotoshooting, dahinter wiederum die Aufnahme einer städtischen Szenerie mit Hochhaus, und das Ganze montiert auf eine spiegelnde Metallfläche.
Frank Dölling
„Wie sehen wir Bilder neu, wie sehen wir Bilder immer wieder?“ Frank Dölling (geb. 1990) beschäftigt das Thema Erinnerung. Ein Großfoto zeigt den Blick in eine Ausstellungssituation: ein Luftschacht, eine Videoarbeit von ihm (unscharf), eine Tür – Flächen, die sich zu einem poetischen, abstrakten Bild verzahnen. Eine andere Aufnahme greift den Vorhang im Raum auf, und aus dem Fenster daneben schaut man auf Döllings Video, das auf die Glasscheiben des Torhauses gegenüber projiziert wird. An einer Wand beeindruckt ein Tableau von exzentrisch gehängten, sehr sensiblen Arbeiten.
Johanna Jaeger
„Wie sehen wir die Welt anhand eines einfachen Objektes? Welches Verhältnis besteht zwischen Fotografie und Farbe?“ fragt Johanna Jaeger (geb. 1985) in ihrer Serie von Aufnahmen eines Farblichtmessers aus den 50er Jahren. Die Schwarzweißfotos hat sie mit zartem Blau, Gelb, Rot überzogen und die Jalousie daneben mit fotochromen, das Licht farbig brechenden Elementen beschichtet. An anderer Stelle zeigt sie eine Folge von hochästhetischen Fotos eines kippenden Wasserglases, in dem sich ein Tropfen Tinte von Mal zu Mal immer wolkiger auflöst. Analog zum schrägen Pegel der Flüssigkeit hat sie eine Wand gekippt – ein Zusammenspiel zwischen Raum und Bild, wie es insgesamt diese schöne Ausstellung charakterisiert.