Regine Nahrwold am 13. Mai 2017
Ausstellung: Sarah Mock im Kunstverein Wolfenbüttel
Wovor kann man heutzutage nicht alles Angst haben: Armut, Krieg, Krebs, Kriminalität, Terror, Flüchtlinge, Neonazis, Gift im Essen, Zeckenbisse, vor Sterben und Tod sowieso! Nun ist Angst ja eigentlich etwas Positives, nämlich ein auf Erfahrung beruhendes Warnsignal für Gefahr. Setzt sie sich jedoch unbegründet fest, hindert sie den Menschen an der Weiterentwicklung. Das weiß jeder, doch: Was tun? In ihrer Ausstellung „Future Alchemy“ im Kunstverein Wolfenbüttel bietet Sarah Mock jetzt endlich die ultimative Lösung an: Transformation durch Alchemie! Die 1984 in Worms geborene Künstlerin, die im letzten Jahr den renommierten Pfalzpreis für Bildende Kunst erhielt, studierte Medienkunst in Mainz, Kassel und Berlin, wo sie heute lebt und arbeitet. Prägend für ihr Werk wurde ein zweijähriger Studienaufenthalt 2014/15 in Südkorea, dessen traditionellen Schamanismus sie hier mit dem zeitgenössischen Klima der Angst verknüpft.
In Wolfenbüttel zog Mock, auch angeregt durch entsprechende Bestände der Herzog August Bibliothek, die Alchemie in den Bann. Zu dieser alten Lehre von den Eigenschaften der Stoffe und ihren Reaktionen gehörte die Umwandelbarkeit von Metallen und anderen Elementen, unter anderem in Gold. Nun hat das bekanntlich ja leider nie geklappt, aber Ihre Ängste werden Sie in Mocks „Destillierapparat“ garantiert los – glauben Sie mir, ich habe es ausprobiert! Alles beginnt dort, wo die Urangst unserer Kindertage sitzt: im dunklen Keller. In diesen Orkus steigen Sie, mit einem Schlüssel bewaffnet, hinab, schreiben in der Syberbergschen Atmosphäre des alten Banktresors ihre Ängste auf und sperren sie in ein Schließfach. Zuvor entnehmen Sie das beschriftete Blatt ihres Vorgängers und werfen dieses dann, wieder am Tageslicht, in besagten „Destillierapparat“. Schon beginnt er, zu kochen, zu brodeln und zu dampfen, schon verwandeln sich die Ängste… Flüssigkeiten strömen durch Schläuche, die sich quer durch den ganzen Raum spannen und in Infusionsbeutel an knallpinkfarbenen Ständern münden.
Mit Alfred Hitchcocks berühmte Mord unter der Duscha aus „Psycho“ beginnt ein Videofilm, in dem ein Horrorclown, ein Durchschnittsmensch, eine Nachrichtensprecherin und eine Wissenschaftlerin durch das Panorama heutiger Ängste führen. Letztere konstatiert eine neue Art von Krankheit, bei der sich gesellschaftliche Ängste mit persönlichen Phobien zu höchstansteckenden Viren vermischen, die sich über Filter-Bubbles, Fake-News, Koffer und Lastwagen verbreiten. Ist die Kunst der bessere Ort für unsere Ängste? Auf jeden Fall, sagt der Horrorclown. Mit dem Bild der Schlange, die sich selbst in den Schwanz beißt und als alchemistisches Symbol den geschlossenen Kreislauf der Materie versinnbildlicht, endet der Film. Eine tolle Serie von Fotos, entstanden im Prinzenpalais und in der Herzog August Bibliothek, sowie einige schöne Assemblagen runden die sehr sehenswerte Ausstellung ab. Also: Duck Dich, Du Angst! Ab mit Dir nach Wolfenbüttel! (Bis 28.5., Kunstverein Wolfenbüttel, Reichsstr. 4, Öffnungszeiten: Mo-Fr 16-18 Uhr, Sa und So 11-13 Uhr und nach Vereinbarung. Begleitprogramm mit Kochperformance, Video-Workshop und Künstlergespräch unter www.kunstverein-wf.de)