Regine Nahrwold am 8. Juni 2017
Ausstellung „Apparat“ im Kunstverein Braunschweig
Apparat. Was das ist, lehrt uns ein altmodisches „Gerät“, den Älteren noch bekannt als Buch, Untergruppe Lexikon: ein technisches Hilfsmittel aus mehreren Bauteilen. Um dieses dreht sich die aktuelle Ausstellung im Kunstverein. Die Kunstwerke stellen entweder selbst Apparate vor oder thematisieren die Beziehung zwischen Mensch und selbigen.
Aleksandra Domanovic
In der Rotunde prallt man auf „Things to come“ von Aleksandra Domanovic (geb. 1981 in Novi Sad, Serbien). Transparente Folien hängen von der Decke herab, bedruckt mit Bildern von Apparaten aus Science Fiction-Filmen. Laut Begleitheft handelt es sich um „Requisiten in den Narrativen der weiblichen Filmcharaktere, die das klischeebehaftete Rollenbild der Frau in der Hollywood-Filmindustrie durchbrechen“. Das erkenne, wer mag, doch schön anzusehen ist diese Arbeit allemal.
Sandra Mujinga
Selbst- und Fremdwahrnehmung umkreist das Werk der Norwegerin Sandra Mujinga (geb. 1989 in Goma, Kongo). Auf einem Motorroller durchstreift sie Goma, erlebt ihr Geburtsland aus der Perspektive einer Fremden. Weitere Schauplätze ihres Videos sind Kisanga, Stockholm und Malmö. In einer zweiten Bildebene treten Avatare ihrem digitalen alter Ego zur Seite.
Der 16 mm-Film „Soft Materials“ von Daria Martin (geb. 1973 in San Francisco) zeigt Tänzerinnen und Performer in fast schon zärtlicher Interaktion mit Maschinen. Reagiert hier der Mensch hier auf den Apparat oder umgekehrt? Dieser nimmt menschliche Züge an, die Akteure dagegen wirken programmiert. Ist der überlegene von beiden wirklich der Mensch?
Jan Vorisek
Im Schnittbereich von Material und Klang schuf Jan Vorisek (geb. 1987 in Basel) seine Bodenarbeit, ein Ensemble von silbrig glänzenden Bestandteilen zerlegter Dinge: Scheiben, Kugeln, Ketten, Gitter und Käfige, dazwischen labyrinthische Formen. Das Ganze fungiert sowohl als Produzent wie auch als Resonanzraum der begleitenden Geräuschkulisse.
Im Saal hat „I smell a Massacre“ von Raphaela Vogel (geb. 1988 in Nürnberg) einen starken Auftritt. Ein Beamer auf einem hohen, mit Troddeln überspannten Gestell bildet selbst ein Kunstobjekt. Der projizierte Film zeigt…
… eine Drohne, die ein Tierskelett vor sich herträgt und in eine Herde Schafe einbricht. Wie in Trance folgt diese dem unheimlichen UFO.
Pakui Hardware
Der Name des Künstlerduos „Pakui Hardware“ bezieht sich auf eine hawaianische Gottheit mit der Fähigkeit zu blitzschneller Bewegung und bezeichnet das Phänomen der Beschleunigung. Die Installation „Vanilla Eyes“ des Duos (Neringa Cerniauskaite und Ugnius Gelguda, geb. 1984 und 1977 in Litauen) besteht aus zwei türkisblauen Lachen in Nierenform unter Plexiglas sowie Objekten, die an künstlich gezüchtete Mikroorganismen erinnern. Sie sollen auf Genmanipulation sowie auf Forschungen zu Unsterblichkeit und Konservierung verweisen.
Margaret Raspé (geb. 1933 in Breslau) hat mittels einer vor der Stirn befestigten Kamera ihre tägliche Arbeit in der Küche und an der Leinwand in bewegte Bilder gebannt. Filme von Alexander Kluge sind im Gästezimmer zu sehen. In der Remise beleuchtet Wyatt Niehaus (geb. 1989 in New York) heutige Arbeits- und Produktionsbedingungen. Andreas Fischer (geb. 1972 in München) präsentiert dort die kinetische Skulptur „Lochheber“: Ratternd nähert sich ein Lampenschirm der leeren Hülle eines Episkops, ohne sie je zu erreichen – Sinnbild für misslungene Kommunikation.
Alle Kunstwerke punkten zwar durch Ästhetik, Perfektion und Komplexität, erschließen sich aber nur mit hohem gedanklichen Aufwand. (Bis 13. 8., Kunstverein, Lessingplatz 12, Öffnungzeiten: Di-So 11-17 Uhr, Do 11-20 Uhr)
Andreas Fischer