Regine Nahrwold am 24. August 2017
Erdmutter Gaia der Bildhauerin Sabine Hoppe
„Einmal im Leben wollte ich eine richtig große Figur machen – nur für mich.“ Die Bildhauerin Sabine Hoppe blickt auf das vollendete Werk, die Erdmutter Gaia aus der griechischen Sage, die aus ihrem Kopf den Himmel gebiert. Stolze drei Meter misst die Dame. Lang ausgestreckt, die Füße gespannt bis in die Zehenspitzen, schwebt sie, nur von einem schmalen Sockel unter der mächtigen Leibesmitte gehalten, über dem Boden. Die Arme über dem Kopf, schiebt sie als ihre eigene Hebamme die Wolkenmassen aus sich heraus. „Auf der Erde kann sie ja nicht liegen, denn die verkörpert sie ja selbst.“, so Hoppe, und: „Es reizt mich, das Schwere leicht zu machen.“ Zwei ebenfalls schwebende Bronzen von Gustav Seitz, „Danae“ und die „Flensburger Venus“ gaben Anregungen.
Immer wieder beschäftigt sich die Künstlerin mit der antiken Mythologie: vor allem der Minotaurus, aber auch Göttinnen und Nymphen wie Hera, Selene, Echo und Hygieia haben es ihr angetan. Eine kleinere Gaia von ihr befindet sich, in Bronze gegossen, im Planetarium Wolfsburg. Für die große Schwester wird es bis zum teuren Guss wohl noch eine ganze Weile dauern. Bis das Geld dafür gesammelt ist, müssen sich die Erdmutter und ihre Schöpferin mit Gips zufrieden geben.
Rund 80 Kilo davon hat die Bildhauerin für die Figur verarbeitet – gar nicht mal so viel für solch eine Riesin. Das liegt an deren Innenleben, einem Gerüst aus Styropor und Holzwolle – leicht, aber äußerst stabil. „Es muss Axtschläge aushalten können!“ hatte Hoppe dem Steinmetz gesagt, der es für sie gebaut hat. Und zur Axt musste sie nicht nur einmal greifen. Wiederholt war sie unzufrieden und zerstörte ganze Partien der Figur, um dann von vorne anzufangen. Begonnen hat sie mit der Unterseite der Gestalt: Rücken, Hinterteil, Beine. Dabei musste sie von vornherein die Drehung der Gebärenden anlegen, die den ganzen Körper von den Füßen bis zum Kopf durchzieht. „Es sollte anatomisch schon richtig sein, aber nicht zu detailgenau werden. Ich wollte eine Einfachheit erreichen, die den Leib eher wie eine Landschaft, ein Gebirge wirken lässt.“ Das ist ihr gelungen, doch der Weg dorthin war mit Herausforderungen gespickt. So konnte sie sich etwa von der Unterseite der Füße nur mit Hilfe einer Kamera ein Bild machen. Der schwere, feuchte Gips an den äußersten Enden der Skulptur verursachte statische Probleme. Und dann der Himmel, wie stellt man den in einer festen Materie dar? Natürlich: Wolken mussten es sein, aber keine Schäfchenwolken, sondern eher eine zerzauste Masse, die sich in einem leichten Aufwärtszug verflüchtigt.
Und dann der Moment, als sie sah: Jetzt ist die Gaia fertig. „Das war unbeschreiblich!“ Ein halbes Jahr hat Sabine Hoppe an ihrer Erdmutter gearbeitet, in ihrem Ausstellungsraum. Eine Zeit, in der sie frei war von Aufträgen und anderen Verpflichtungen, frei für die selbst gewählte Aufgabe. Nun hat der Alltag sie wieder: Am 4. September um 19 Uhr eröffnet sie eine neue Ausstellung im Studio Hoppe im Schimmelhof, Hamburger Str. 273b.