Regine Nahrwold am 6. September 2017
Ausstellung „Rosa Paraphrasen“ von Helmut J. Psotta bei Geyso20
Helmut J. Psotta. Helmut – wer? Ach, den kennen Sie nicht? Das lässt sich jetzt ändern, denn die Galerie Geyso20 widmet im 25. Jahr ihres Bestehens dieser eigenwilligen Position der 1960er bis 1980er Jahre abseits des Mainstream eine Einzelausstellung.
Helmut J. Psotta, 1937 in Bottrop in einfachen Verhältnissen geboren, musizierte, malte und dichtete schon als Kind. 1955 begann er eine Lehre zum Glasmaler und besuchte daneben Abendkurse an der Folkwangschule in Essen. Ab 1957/58 studierte er dort angewandte Malerei bei Max Burchartz, ab 1959/60 Metallgestaltung (Email) in Düsseldorf bei Lili Schultz. Nachdem er 1961 mit Glasfensterentwürfen für eine Kirche in Santiago de Chile einen internationalen Wettbewerb gewonnen hatte, übernahm er 1963 die Leitung des Lehrstuhls für Sakralkunst an der dortigen Katholischen Universität. 1967-1982 lehrte er vor allem in den Niederlanden. 1982 ging er nach Lima und gründete dort eine Künstlergruppe. Seit 1998 lebte Psotta in Berlin, wo er sich der Fotografie zuwandte. Von 2007 bis zu seinem Tod arbeitete er ausschließlich auf dem Gebiet der Zeichnung.
Ein wandfüllendes Tableau von 24 Zeichnungen/Collagen, die in den 1990er Jahren entstandene Folge der „Rosa Paraphrasen“, zieht denn auch in der Ausstellung mit Macht alle Aufmerksamkeit auf sich. Hier dreht sich alles um Rosa, die Mutter des Künstlers, die in der Fotokopie eines Kinderfotos anwesend ist. Das lichte, gleichsam entschwindende Portrait lässt sofort an das Kinderbild einer anderen Mutter denken, der von Roland Barthes; ausgehend von dieser Aufnahme entwickelte der Philosoph 1980 in „Die helle Kammer“ seine Reflexionen über das Medium Fotografie. Bei Psotta erscheint das Mädchen wie eine Märtyrerin, mal klein und eingeschlossen in einen Kokon von fleischlichen, auch phallischen oder vaginalen Formen; mal groß und mit weißen Bandagen umwickelt, vergittert oder von einem Kreuz wie durchgestrichen. Schwarz, Grau, ein dunkles Rot und manchmal der silbrige Glanz von Graphit dominieren diese Blätter, von denen jedes einzelne eine düstere, seltsam physische Intensität ausstrahlt, vergleichbar mit Zeichnungen von Louise Bourgeois.
Schmerz, Verletzung, Unterdrückung, Folter, Tod und Sexualität waren Psottas Lebensthemen. In einer Zeichnunge/Collage der Reihe „Pornografie“ (1978/79) hat er nackte Leiber, Schriftfetzen, Briefumschläge und immer wieder die Portraits von Rosa und Ulrike Meinhof mit einer Struktur aus Andreaskreuzen und sechseckigen Sternen zu einem unendlichen Rapport verwoben. In einem prall gefüllten Blatt einer Serie für seinen Lebensgefährten Klaus (1980) taucht dessen Kopf auf, umgeben von Körperfragmenten, Liebespaaren und Schmetterlingen, dem Symbol der unsterblichen Seele. Keine leichte Kost, dieser Helmut J. Psotta, aber unbedingt sehenswert. (Bis 6. 10., Galerie Geyso20, Geysostr. 19, Öffnungszeiten: Montag bis Freitag 13-17 Uhr und nach Vereinbarung)