Regine Nahrwold am 20. Oktober 2017
Film: „Homo sapiens“ von Nikolaus Geyrhalter
Als „Film über die Endlichkeit menschlichen Seins, über die Fragilität unserer Existenz, das Ende des industriellen Zeitalters und über das, was es ausmacht, Mensch zu sein“ hat der Österreicher Nikolaus Geyrhalter seinen Dokumentarfilm „Homo sapiens“ von 2016 angekündigt. Überall auf der Welt hat er Ruinen einer fragwürdigen menschlichen Kultur gefilmt, überwiegend menschenleere Innenräume: Theater, Kino, Hörsaal, Großraumbüro, Krankenhaus, Archiv, Kirche, Gewächshaus, aber auch verlassene Siedlungen, Bunker, Panzer, Kriegsschiffe und das bizarre Gerüst einer Achterbahn im Meer. Meist streng frontal aus der Zentralperspektive aufgenommen sind diese monumentalen, für die große Kinoleinwand geschaffenen Bilder. Vor der statischen Kamera stehen sie für etwa eine halbe Minute still – im Kino eine lange Zeit, doch langweilig ist das nie. Man könnte allerdings fragen, ob hier nicht eine Fotoserie das angemessenere Medium gewesen wäre, gäbe es da nicht die Bewegungen rauschender Blätter, ziehender Wolken, von raschelndem Papier oder einem weißen Band, das im Luftzug schlurrend Wellen und Schleifen schlägt. Und den Wind, der durch zerbrochene Fenster pfeift, das Tropfen, Plätschern und Prasseln des Regens durch die verrotteten Dächer sowie das Zwitschern, Gurren und Flügelschlagen der durch die Hallen flatternden Vögel. Am Ende einer Bildsequenz wird die Leinwand schwarz, und wie ein Abgesang auf die Zivilisation klingen die Geräusche der jeweils letzten Einstellung in diesem Nichts nach. Dass sich die Natur mit Wind, Wasser, Pflanzen, Sand und Schnee diese verfallenden Orte zurückholt, ist ein Gedanke; ein anderer: Wieviel Müll und Schrott hat doch der Homo sapiens schon auf dieser Erde hinterlassen! So ist dieser Dokumentarfilm zugleich eine dystopische Erzählung, die Szenarien hätten als Kulissen im „Blade Runner“ dienen können. Eine eigentümlich melancholische Stimmung liegt über den Aufnahmen, begründet in einem geradezu romantischen Licht, meistens das eines trüben Tages mit wolkenverhangenem Himmel oder das Zwielicht der Abenddämmerung; manchmal durchdringen sanfte Strahlen oder grelle Lichtkegel, in denen der Staub tanzt, das Halbdunkel. Stimmt das nun versöhnlich? Nun, das vielleicht nicht, aber die ruhige, stille Schönheit dieses Films über die Vergänglichkeit lässt auch die Hoffnung zu, dass die Natur den Menschen, seine Machenschaften und Maschinen überdauern wird. (Im Rahmen des Internationalen Filmfestivals Braunschweig zu sehen im Kino Universum am 22.10., 19.15 Uhr)