Regine Nahrwold am 10. November 2017
Ausstellung „Poller und Persenning“ von Hermann Buß in St. Martini Braunschweig
Trüb und windstill sind der verhangene Himmel und das nur sacht bewegte Meer, der Horizont liegt tief. Grau in allen erdenklichen Nuancen ist die vorherrschende Farbe in den Ölgemälden von Hermann Buß, der seinen Bilderzyklus „Poller und Persenning“ nun in der Martinikirche zeigt. Die Nordsee ist die Welt des 1951 geborenen Malers aus Norden, der in Oldenburg Kunstpädagogik studierte und zwischenzeitlich auch zur See gefahren ist. Sein Blick auf die See ist nüchtern, realistisch und unsentimental: keine einsamen Sandstrände, wie Urlauber sie so lieben, keine schmachtenden Sonnenuntergänge, sondern Ansichten einer harten und kalten Arbeitswelt werden da in reizvollen Ausschnitten und Perspektiven präsentiert. Frachter und Fähren, Container und rostige Eisenträger, Aussichtstürme und asphaltierte Anlegestellen sind neben Himmel und Wasser die Hauptdarsteller dieser Szenerien. Nur selten erscheinen Menschen auf der Bildfläche, und wenn, dann sind es wetterfest vermummte Arbeiter. Das alles ist ehrlich und solide Malerei.
Doch als ob das nicht genügte, wird nun Metaphysisches hineininterpretiert. Man erfährt, dem Maler, der auch Altarbilder geschaffen hat, seien die starken Poller, an denen selbst die größten Schiffe sicheren Halt finden, und das Schützende der Persenning zu Metaphern für Barmherzigkeit und Gnade geworden – für ihn die Schlüsselwörter aus Luthers 95 Thesen. Nun, wenn das so wäre, müssten die Bildgegenstände in irgendeiner Form über sich hinausweisen, in eine andere, geistige Sphäre. Das ist aber nicht der Fall, und man möchte hinzufügen „Gott sei Dank!“, denn dann wäre es vielleicht kitschig geworden. Auch im Reformationsjahr muss man nicht alles und jedes krampfhaft auf Martin Luther beziehen.