Regine Nahrwold am 12. November 2017
Ausstellung „the relativity of reflected realities“ von Marion Jungeblut im Kunstförderverein Schöningen
Auszug aus meiner Rede zur Eröffnung: Marion Jungeblut arbeitet konzeptionell auf den Gebieten Malerei, Skulptur, Objekt, Installation – und Sprache. „The inner truth of the painting, of the object is the painting, the object as itself and has it’s own elastic reality“. So lautet ein Kernsatz der Künstlerin. Das erinnert an einen berühmten Satz der Minimal Art, den der amerikanische Maler Frank Stella in einem Interview mit der Zeitschrift ARTnews 1966 sagte: “All I want anyone to get out of my paintings is the fact that you can see the whole idea without any conclusion . . . What you see is what you see.” Elastisch, dehnbar, formbar ist für Marion Jungeblut die Realität des Kunstwerks insofern, als die individuelle Wahrnehmung der unterschiedlichen Betrachter sie in viele reflektierte Wirklichkeiten verwandelt und dadurch relativiert. „the relativity of reflected realities“ ist denn auch der Titel dieses Ausstellung.
liquid metal tales (2016)
Die Dekonstruktion des Objekts in der Rezeption der Betrachter, aber auch die Verflüssigung und das scheinbare Sich-auflösen fester Formen aus hoch glänzendem Kunststoff und Metall – mal hochglänzend, mal matt schimmernd oder mit rostiger Oberfläche – durch Farbe, Lichteinfall und Spiegelungen, durch Prozesse des Schmelzens und Korrodierens sind ebenso Jungebluts Thema wie das Spiel mit Sprache, mit der Konstruktion von Worten und ihren Bedeutungen. Beide Aspekte, den materiellen und den gedanklichen, verknüpft sie mittels Schrift: Buchstaben und Wortfolgen nehmen die Gestalt von Skulpturen aus Polycarbonat und Corten-Stahl an, in der Malerei materialisieren sie sich in Acrylfarbe….
Für den Bedeutungswandel bedient sich Marion Jungeblut gern des Anagramms, bei dem durch Umstellung der Buchstaben ein neues Wort entsteht. So etwa in der Arbeit REMOTE METEOR (ferner Meteor). Ein Pfeiler steht auf einer runden Scheibe, beides aus rostigem Cortenstahl. Der Kreis, gebildet aus mehreren Teilen in unterschiedlichen Rosttönungen, hat die Anmutung einer Landkarte oder einer Anordung von Feldern, wie man sie aus dem Flugzeug erblicken kann. Im Hohlraum des Pfeilers liegt ein echter Meteor – ein Stück Unendlichkeit von Zeit und Raum, kristallisiert in einem Augenblick, einem Brocken Gestein aus dem Weltraum, gelandet auf der Erde.
relativistic revelations one (2017)
Jungebluts neueste Arbeit relativistic revelations one von 2017 spielt mit den Worten “evolution” – “revolution” – “love”. Einem Ring aus Cortenstahl ist auf der Außenseite in Großbuchstaben das Wort REVOLUTION eingeschrieben. Der Wortteil EVOL durchbricht dabei den Hohlkörper des Rings plastisch und wird von innen in der Umkehrung und damit in Antithese zu “revolution” LOVE gelesen. Die drei Begriffe werden zum dem sich drehenden, geschlossenen Ring geformt, der die wörtliche Bedeutung von „Revolution“ („Umdrehung“) versinnbildlicht. Aus “Evolution” und “Revolution” wird “Love” als letzlich positive Utopie – eine Remiszenz an den “summer of love” 1967 und zugleich ein kunstvolles und hoch ästhetisches Objekt. (Bis 3.12.2017, Öffnungszeiten: Di und Fr 16-18 Uhr, Do 16-19 Uhr, So 11-13 Uhr)