Regine Nahrwold am 6. Dezember 2017
Ausstellung: Georgia Sagri im Kunstverein Braunschweig
Erwartungsvoll öffnet man die Tor zur Villa „Salve Hospes“ – und prallt jäh auf eine Wand, die mit einem Ziegelsteinverbund bedruckt ist. Der Kunstverein – zugemauert? Doch rechts und links geht man um die Wand herum und steht nun mitten in der Rotunde. Die Wand sei programmatisch für ihre Kunst, erläutert Georgia Sagri, sie sei ein wenig so wie die, durch die sich das Liebespaar Pyramus und Thisbe, durch ein Loch flüsternd, heimlich verständigte: Trennung und Öffnung zugleich, eine Verbindung von Außen und Innen, öffentlichem und privatem Raum. Nach der Eröffnung am Freitag Abend führte die temperamentvolle, vor Elan übersprudelnde Griechin selbst durch ihre Ausstellung. Sie arbeitet auf den Gebieten Performance, Videoarbeit, Malerei, Fotografie, Objektkunst, Texte und Klänge. Gezeigt werden sieben große Skulpturen aus den letzten acht Jahren. Vernetzung, die Überwindung von Begrenzungen und die Auflösung von Dichotomien (etwa Idee – Objekt) sind für die heute in New York lebende Künstlerin zentrale Bestandteile ihres Schaffens. Das signalisiert auch das Logo, das sie für die Ausstellung entworfen hat: Ein dreidimensionales, verschlungenes Band aus Streifen von Zeitungspapier bildet einen Kreis, durchbricht diesen aber auch wieder. Sagri (geboren 1979 in Athen) stellte bereits in Zürich, New York, Berlin, Warschau, Basel, Istanbul und Lyon aus und beteiligte sich an der diesjährigen Documenta 14 mit ihrer Arbeit „Dynamis“: 28 Skulpturen und eine sechstägige Performance, die zeitgleich in Kassel und Athen aufgeführt wurde.
Wo in der Villa Räume symmetrisch zur Rotunde oder zum Gartensaal angeordnet sind, hat Sagri dies aufgegriffen: die zwei Teile der Installation „Documentary of Behavioural Currencies“ (2016), einem fragilen Ensemble aus Holz, Plastikfolie, Sand, Malerei, Plexiglas, Fotodrucken und Video stehen sich so gegenüber. Ebenso auf der Gartenseite die Skulpturen der Arbeit „Dynamis“, schwungvolle Silhouetten von stilisierten Körperteilen und Organen aus bemaltem Aluminium, die wie bunte Wolken an Ständern in der Höhe schweben und ihren Raum komplett ausfüllen; zwei weitere Gruppen im Garten beziehen den Außenraum mit ein. In „my first science fiction book, Religion“ (2015) begab Sagri sich auf die Suche nach einem Glaubenssystem, das die unterschiedlichen Religionen vereint. In einer achtstündigen Performance spielten Sufis, Juden, Christen und Muslime ihre traditionelle spirituelle Musik; die Künstlerin selbst führte dazu Gesten und Bewegungsrituale dieser Religionen vor. Der 3D-Film dieser Performance ist ebenfalls zu sehen, dazu, auf einem Wandbrett, Gesichtsmasken und kleine Plastiken.
Viel Theoretisches kam in Sagris Führung zur Sprache: Mimesis (Nachahmung), Multiperspektivität, Aktion, die Rolle des Betrachters mit seinen Assoziationen, auch von Platons Ideenlehre war die Rede. Wie viele Künstler, die ihre Arbeiten erläutern, sprach sie vor allem über das, was sie mit ihnen aussagen möchte. Doch sind diese Gedanken in den Werken auch wirklich abgebildet? Mit der blitzschnellen Bewegung des Denkens kann die schwerfällige Materie jedenfalls nicht mithalten. Man freut sich dann über ein zartes Gerüst aus Bambusstangen, das durch drei Räume mäandert. Die transparenten Folien daran sind mit Fotos gestikulierender Hände bedruckt, die unübersetzbare griechische Begriffe visualiseren sollen. Sei’s drum. Es sieht einfach wunderschön aus.