Regine Nahrwold am 13. Februar 2018
Ausstellung: Fotomontagen von Franziska Rutz in der VitaMine
Franziska Rutz vor ihrer Fotomontage „Glücksstadt“
„In meiner Kunst beschäftige ich mit der Jetzt-Zeit und benutze ein künstlerisches Mittel von heute, nämlich das der digitalen Bildbearbeitung.“ Franziska Rutz steht in ihrer Ausstellung in der Galerie VitaMine vor einem Bild, in dem sie Alpengipfel mit Schuttbergen zusammenmontiert hat. Seit 24 Jahren lebt die Schweizerin in Braunschweig – Erinnerungen an ihre Heimat? Ja, im Zusammenhang mit dem Klimawandel denkt sie auch an „ihre“ Schweizer Berge: Scheinbar für ewig standen diese unerschütterlich fest, boten Halt und Sicherheit; die Bergwelt war noch in Ordnung, dort konnte man sich auf Wanderungen erholen. Doch das hat sich inzwischen geändert: „Auch der Permafrost taut durch die Erderwärmung bereits auf und wird instabil,“ erzählt Rutz, „Manche Partien geraten ins Rutschen, und einige Gebiete sind bereits für Wanderer gesperrt.“
Der Klimawandel mit seinen Folgen ist eines ihrer großen Themen, weitere sind: Mobilität, die Suche nach dem Glück und die Entfremdung und Anonymität des Menschen in Megacities und hoch industrialisierten Gebieten. Letzteres vor allem in China, wohin sie 2006 reiste und sah, wie im Zuge der rasanten wirtschaftlichen Entwicklung mehr und mehr Betonwüsten die traditionelle Architektur verdrängen.
Zwei große Hochformate hängen sich in der Ausstellung gegenüber: „Autostadt“ und „Glücksstadt“. Auf beiden ballt sich ein wildes Gewirr aus mehrspurigen Autobahnen zu einem Labyrinth zusammen, mittendrin Autos, Laster, Bagger, winzige Menschlein. Auf „Glücksstadt“ mündet dieses Labyrinth in der Auffahrt auf die Fähre, die wie eine Abschussrampe geradewegs in den Himmel hineinführt – angesichts des wahnsinnigen Verkehrschaos die pure Ironie. Aus rund 50 schwarzweißen und farbigen Fotos setze sich eine solche Arbeit zusammen, erläutert Rutz. In ihrem Frühwerk hat sie sich mit der Rolle der Frau beschäftigt und häufig Schittmuster verarbeitet. „Die Themen der Arbeiten haben sich seitdem geändert, die Methode des Zerteilens und Zusammenfügens bleibt hingegen die künstlerische Bildsprache bis in die aktuellen Arbeiten hinein“, stellte die Kuratorin Ulrike Lahmann fest und führt diese zurück auf Hannah Höch, John Heartfield und Raoul Hausmann, die in den 1920er Jahren die Fotomontage erfanden. Nur arbeiteten sie noch mit Schere und Papier, Rutz‘ Werkzeug dagegen ist der Computer. Sie unterscheidet die aus vielen (immer eigenen) Fotos zusammengefügte Montage und die Decollage, bei der ein einzelnes, meist farbiges Motiv aus einem größeren Kontext isoliert und vor einem neuen, grautonigen Hintergrund freigestellt wird. So geschehen etwa in der Serie „Lourdes“, in der sie den Glauben an die Glücksverheißungen der Wallfahrt kommentiert – kritisch, aber nicht ohne Humor.
Was ist denn zuerst da, die Bildidee oder die konkreten Aufnahmen? „Beides durchdringt sich wechselseitig“, sagt Rutz, „so habe ich zum Thema ‚Unterwegssein‘ erst einmal Straßen fotografiert, und daraus sind dann ‚Autostadt‘ und ‚Glücksstadt‘ entstanden.“ Bahn frei auf dem Weg zum Glück toller, neuer Bildschöpfungen!
(Bis 11. März, VitaMine, Karl Marx-Str. 6, Öffnungszeiten: Mo-Fr 10-13 Uhr, Mo, Mi, Do 17.30 – 19.30 Uhr, So 14-17 Uhr)