Regine Nahrwold am 25. Mai 2018
Guido Knopp mit „Meine Geschichte“ in der Buchhandlung Graff
Was hat man „Mister History“ nicht alles vorgeworfen: Ungenauigkeit, Stümperei, Populismus, Doku-, Histo-, ja Hitlertainment und sogar „Geschichtspornografie“. Die Historiker der akademischen Zunft rümpfen die Nase über Guido Knopp, den Oberlehrer für Geschichte im Deutschen Fernsehen. In der Tat: Differenzierung ist seine Sache nicht, er ist ein großer Vereinfacher, der mehr Antworten gibt als er Fragen stellt. Welcher ernsthafte Historiker würde sich je anmaßen, vollmundig „Die Wahrheit über Auschwitz“ zu verkünden? Knopp hat es getan. Viel Unseriöses ist ihm, vor allem seinen Sendungen zum Nationalsozialismus, anzukreiden: die Fixierung auf Hitler, die willkürliche Auswahl und Zusammenstellung historischer Filmszenen, die pathetische Sprache der Kommentare, die emotional aufgeladene Musik, die Dämonisierung der Nazigrößen, die nachträgliche Kolorierung historischer Fotos und die von ihm eingeführten „szenischen Zitate“, von Schauspielern nachgestellte historische Szenen. Dies alles zielt mehr darauf ab, die Zuschauer in den Bann einer spannenden Story zu ziehen, als auf Aufklärung und kritische Distanz. Doch anzuerkennen ist auch: Knopp erreichte mit seinen Produktionen zur besten Sendezeit ein Millionenpublikum, viele seiner Bücher wurden Bestseller. Die „tageszeitung“ konstatierte anlässlich seines 70. Geburtstags die Schlichtheit seiner Botschaften: Nazis, Antisemitismus, Holocaust, eine Mauer zwischen Staaten bauen – alles schlecht. „Aber kann es – wenn man sich mal umschaut – eigentlich genug Leute geben, die diese simplen Botschaften den Menschen in die Hirne hämmern?“ (taz vom 29. 1. 2018)
Nun hat Guido Knopp seine Memoiren publiziert, unter dem Titel „Meine Geschichte“. Der ist natürlich sowohl als „meine Lebensgeschichte“ wie als „die Geschichte, die ich miterlebt habe“ zu verstehen. Am Dienstag Abend stellte Knopp in der Buchhandlung Graff sein Buch vor. Der „Mantel der Geschichte“ – um das Wort des Kanzler seiner Ära, zu zitieren – wehte durchaus durch die Lesung. Etwa, wenn Knopp von seinen Begegnungen mit Gorbatschows Berater Valentin Falin berichtete, der 1983 stürzte, weil er die Aufklärung des Massakers von Katyn gefordert hatte, und als Kommentator der Regierungszeitung „Istwestija“ in ein winziges Zimmer ohne Sekretärin verbannt wurde; zwei Jahre später rehabiliert, residierte er dann als Chef der staatlichen Nachrichtenagentur sowie Kandidat des Zentralkommitees der KPdSU in einem Saal mit drei Sekretärinnen, einer persönlichen Referentin, einem Assistenten und sieben Telefonen. Gorbatschow habe übrigens seinen berühmten Satz „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“ so gar nicht gesagt, sondern „Gefahren warten nur auf jene, die nicht auf das Leben reagieren“; die griffige Umformulierung habe ein findiger Journalist vorgenommen, Gorbatschow habe am Ende selbst daran geglaubt. Helmut Kohl traf Knopp mehrmals in den 1990er Jahren. Auf dem Weg zur deutschen Einheit, so Kohl, hätten wir: „einfach Glück gehabt. … Es war der liebe Gott, der seine Hand im Spiel gehabt hat. (…) wer hat dann in den bösen Stunden unserer Geschichte 1914, 1933, 1939, 1944, als das Attentat auf Hitler scheiterte, sein Hand im Spiel gehabt?“ Das konnte ja nur der Leibhaftige gewesen sein – ach, wie ergreifend! Schön dagegen Knopps Schilderung, wie sein Sender, das ZDF, am 9. November 1989 die Berichterstattung zum Tag des Mauerfalls verpennte: Der Chefredakteur weilte in Südafrika, sein Stellvertreter in Warschau, der dritte Mann war bei einer Dame verschollen, und keiner der Subalternen wagte es, eigenmächtig das Programm zu ändern! Knopps Frage an Kohl beim letzten Treffen 2014: Hätte er für die deutsche Einheit statt 15 Milliarden DM auch 150 Milliarden DM gezahlt? „Ja.“
Doch mindestens genauso erheiterte Knopp das Publikum mit launigen Anekdoten aus seinem Studenten- und Berufsleben. Nach dem Abitur 1968 – den Wehrdienst umschiffte er durch den Genuss von sieben Tassen Kaffee und fünf Matjesheringen kurz vor der Musterung – begann er sein Studium der Geschichte, Politik und Publizistik in Frankfurt am Main. wo er unter anderem Augenzeuge des „Busenattentats“ auf den davon völlig verstörten Adorno wurde („Er hatte Tränen in den Augen“). Auch Daniel Cohn-Bendit studierte damals dort. Wie der junge Danton habe er ausgesehen, immer eine Schar Groupies im Gefolge sowie seinen „Schlabbeschandes“ (Schlappenträger) Joschka Fischer. Nun, die beiden hat Knopp sicher nur von weitem gesehen, gehörte er, Jahrgang 1947, doch der „letzten braven Generation vor den 1968ern“ an. Er setzte sein Studium dann in Würzburg fort, wo höchstens mal eine Fensterscheibe im Rektorzimmer zu Bruch ging; dort konnte man noch richtig studieren und ansonsten seine Zimmerwirtin mit dem Verstoß gegen den „Kuppelparagrafen“ in Verlegenheit bringen.
Zum Fernsehen hatte es Knopp schon immer gezogen, doch wurde er nach der Promotion (über die Geschichte von SPD und USPD) zunächst Redakteur der FAZ, dann Auslandschef bei der „Welt am Sonntag“. 1978 ging er zum ZDF, wo er ab 1980 die Redaktion „Zeitgeschichte“ aufbaute und leitete. Anfangs arbeitete er vor allem zu Themen der damaligen Sowjetunion, über 70 Mal sei er in seinem Leben nach Russland gereist. Dem Kreml habe er einmal für die Erlaubnis, im Katherinensaal drehen zu dürfen, zwanzig Staubsauger besorgt. Die Machthaber dort kommen und gehen – doch die Staubsauger, da sei er sicher, arbeiten noch immer.
Seine Begeisterung für Geschichte habe ein toller Geschichtsunterricht entfacht, bei dem Tonbänder, Schallplatten und Filme zum Einsatz kamen. Der große Bogen zur NS-Zeit habe zwar noch gefehlt, doch wurde immerhin schon Goebbels‘ Sportpalastrede analysiert.
Als kleiner Junge war Knopp fasziniert von Zigarettenalben für Sammelbilder zu historischen Themen, Titel: Vermächtnis der Vergangenheit. Nun wissen wir, was ihn inspiriert hat.