Regine Nahrwold am 11. Juni 2018
Ausstellung „Doing Things with Words“ im Kunstverein Braunschweig
Zu sehen gibt es in der Rotunde des „Salve Hospes“ nichts. Das Entrée in die neue Ausstellung des Kunstvereins, „Doing Things with Words“ kommt rein akustisch daher: Zu hören ist ein halblaut gemurmelter Monolog von Hanne Lippard (geb. 1984 in Großbritannien), die Sätze über Sprache in Bezug auf den eigenen Körper vor sich hin träumt. Fast alle Arbeiten der Ausstellung, einer Kooperation mit dem Festival „Theaterformen“, beschäftigen sich mit Sprache und Kommunikation. Ach, Ihr Bildenden Künstler, warum haltet Ihr Euch nicht an das Sichtbare? Doch die Grenzen zwischen den Kunstgattungen sind längst aufgelöst, und jetzt gibt’s mal wieder mehr für’s Ohr und für den Kopf als für’s Auge…
Lippard Serie „ahem“ besteht aus weißen Seidentüchern, bedruckt mit Silben, Lauten, Worten; sie schweben hauchzart und lichtdurchflutet vor den Fenstern. Das sieht sehr schön aus und ist diesen flüchtigen Sprachpartikeln angemessen. Christian Falsnaes (geb. 1980 in Kopenhagen) hat mit „First“ eine Studio-Situation installiert: Ein schwarzer Vorhang wird zur Bühne für den ersten Besucher jedes Tages, der sich hier vor einer Kamera produzieren und für 15 Minuten ein Star sein darf. Feiko Beckers Performances und Videos drehen sich um Gespräche und Möglichkeiten des Missverstehens; Dialogpartner sind er selbst und ein Freund, beide in (ebenfalls ausgestellten) Kostümen, die an die russische Avantgarde des 20. Jahrhunderts erinnern.
Kurze Phrasen wie LIKE, HEAR, ME, NO TIME, TO KNOW sind auf bunten Fahnen, Elementen einer Installation von Hassan Khan (geb. 1975 in London), zu lesen. Auch er ringt um Sprache in dem unscharfen Moment kurz vorm Bewusstwerden, versucht, etwas zu greifen, was sofort wieder entrinnt. Das wird in dem provisorischen Charakter des leichten Gebildes aus Holz, Keramik, Stahl, Glas, Textil und Licht anschaulich.
Von einer eigenwilligen gebärdensprachlichen (Nicht-)Übersetzung der Reden zum Tod Nelson Mandelas sind die Säulen von Teresa Solar (geb. 1985 in Madrid) inspiriert; sie hat die Gesten in keramisches Material transformiert. Doch das Wissen darum fügt der Form nichts Wesentliches hinzu. Adrian Williams (geb. 1979 in Portland, USA) hat im Spiegelsaal lange Reihen von Kirchenbänken aufgebaut, anhand derer sie verschiedenen Weisen des Sprechens und Zuhörens im Sitzen thematisiert. Aber es sind und bleiben doch – Kirchenbänke. Mike Bourscheid (geb. 1984 in Luxemburg) präsentiert zu Peter Alexanders Schnulze „So stell ich mir die Liebe vor“ das fleischrosa Mieder und andere Kostüme, die er in der Performance dazu trägt, zwischen transparenten Vorhängen in der Farbe von Nylonstrümpfen – in dieser Schau für die Augen geradezu ein Fest!
Lina Hermsdorfs (geb. 1985 in Hamburg) puristische und sehr ästhetische Arbeit „Elysian Fields“ besteht aus einer großen Glasscheibe, die den Innenraum der Remise teilt. Dazu erklingt aus Kopfhörern die digitale Stimme von Antonia, die Sätze über ihre Existenz und Beschaffenheit raunt – ohne Zellen, Haut und Temperatur kann sie doch diverse Sprachen sprechen und ist unsterblich. Dazu lässt sich viel assoziieren: Wer ist hier eigentlich der aktive und wer der gesteuerte Part, Mensch oder Roboter? Und sind wir durch die virtuelle Realität von der analogen nicht wie hinter Glas abgeschottet? Im Juni rundet eine Reihe von Performances die Ausstellung ab. (Bis 19. August; Kunstverein, Lessingplatz 12, Öffungszeiten: Di-So 11-17 Uhr, Do 11-20 Uhr)