Regine Nahrwold am 15. Juni 2018
Ausstellung „Out of Sasnak“ von Bjørn Melhus in der halle267
„Ist das ein Zauberglas?“ fragt das Mädchen staunend aus dem TV, als es den jungen Mann davor sehen und mit ihm sprechen kann. „Darin sieht man sich besser als in einer Wasserpfütze“. „Das Zauberglas“ von Bjørn Melhus. in dessen Arbeiten der Videoscreen zum Zauberglas und Spiegel wird, entstand 1991 und war sein persönlicher Befreiungsschlag, sein künstlerischer Nukleus. Anfangs drehte er Werbefilme, aber schon seit 1986 produziert er künstlerische Filme, Videos und Installationen. 1988 bis 1997 studierte er in der Film- und Videoklasse von Birgit Hein an der HBK Braunschweig, dann ging’s steil aufwärts: auf ein DAAD-Stipendium für Los Angeles folgte ein Atelierstipendium für New York als Preis des Kunstvereins Hannover. Melhus‘ Arbeiten wurden bereits in der Tate Modern in London, im MoMa New York und im Centre Pompidou in Paris gezeigt. Heute lebt und arbeitet der 52jährige in Berlin und ist Professor an der Kunsthochschule in Kassel. „Wir wollen in der städtischen Galerie Leute mit einer künstlerischen Biografie präsentieren, die sich nicht im Regionalen erschöpfen, sondern ein internationales Renommée haben“, so Kulturdezernentin Dr. Anja Hesse.
In seiner Ausstellung „Out of Sasnak“ spannt Melhus mit acht Werken einen Bogen über 20 Jahre seines Schaffens, von „Weit, weit weg“ (1995) über die Meisterschülerarbeit „No sunshine“ bis zu „The Theory of Freedom“ (2015). Diese 3-Kanal-Videoinstallation hat hier ihre Deutschlandpremiere. Man erlebt Mr. Freedom und Mr. Independence, die sich vor trostloser Großstadtkulisse fit halten, und die gestrenge Randi, die über kranke Menschen die Peitsche schwingt und ihnen ihre Theorie über den freien Markt aufzwingt.
Das Material für seine Filme findet Melhus in Popkultur, Kinofilmen, Serien und TV-Shows, die er auf seine Kernrollen „eindampft“. Seine Videos üben Kritik an Kapitalismus, Neoliberalismus und Machtverhältnissen, sind aber immer auch schrille, schräge Märchen, oft traurig, aber auch mit Witz. In „The Theory of Freedom“ greift er kritisch den neuen Trend zur Religiosität auf unter Benutzung der Filme „Deep Impact“ und „Armageddon“, in denen jeweils die Erde vor einem auf sie zurasenden Planeten gerettet werden muss.
Am Anfang eines Films steht immer ein Archiv von Tonschnipseln, aus denen die Tonspur, zugleich das Drehbuch, entsteht. Darüber konkretisiert sich dann die Idee über das Visuelle in einem Storyboard. Alle Figuren, ob Mann, Frau oder Tier, verkörpert Melhus stets selbst: „Ich schlüpfe in die Stimme hinein wie in eine Hülle und fülle sie aus.“ Die Wechselwirkung zwischen Medien und Gesellschaft, die diese nicht nur konsumiert, sondern von ihnen auch geformt wird, macht der Künstler mit Mitteln wie Aufsplittung von Bild- und Tonebene, Fragmentierung und Dekonstruktion von Texten und Musik anschaulich.
Der Titel der Ausstellung lehnt sich an den Essay „Out of Kansas“ von Salman Rushdie an, in dem er den Film „The Wizard of Oz“ untersuchte. Dieser Film bildete 1995 auch die Basis zu Melhus‘ Video „Weit, weit weg“. Darin ist Sasnak – Kansas, rückwärts gelesen – ein fiktiver Ort in Deutschland, dargestellt in Bildern aus der Braunschweiger Weststadt und Wolfsburg-Westhagen, von dem die Reise in ein mediales Zauberland führt. Eine Reise, die der Künstler in den letzten 20 Jahren selbst zurückgelegt hat. Er ist in Oz angekommen. (Bis 15. Juli, halle 267, Hamburger Str. 267, Öffnungszeiten: Mo und Fr 15-18 Uhr, Do 15-20 Uhr, Sa und So 11-17 Uhr; Begleitprogramm unter www.braunschweig.de/halle267)