Regine Nahrwold am 16. Juni 2018
Ausstellung „Überräume“ von Lienhard von Monkiewitsch im Städtischen Museum
„Ich war beeindruckt von den Riesenformaten der amerikanischen Farbfeldmalerei, zum Beispiel von Barnett Newman. In der Größe wollte ich auch mal arbeiten.“ So startet Lienhard von Monkiewitsch die Führung durch seine Ausstellung im Städtischen Museum, die erste große Einzelausstellung in Braunschweig seit denen in der Galerie Langer Anfang der 70er Jahre. „Die Gelegenheit dazu bekam ich 1979 als Stipendiat der Villa Massimo in Rom: Mein Atelier dort war acht Meter hoch!“ In der großen Halle steht der Künstler vor zwei Werken aus dieser Zeit, Leinwänden im Format von etwa 4 mal 3-5 Metern. Auf der Fläche täuschen sie dreidimensionale Ensembles von Kuben vor, die, nach hinten wegstürzend, über dem Boden schweben; durch einen Spalt schimmert das kalte Licht einer Neonröhre. Die Malschichten aus römischen Erden und sizilianischer Vulkanasche haften als dicke Krusten auf dem Grund.
Begonnen hat von Monkiewitsch 1970 als 23jähriger mit akribischen, perspektivischen Zeichnungen von Fußböden, das leere Weiß des Papiers lässt Raum für die Vorstellungen des Betrachters. Das Thema Raum zieht sich durch sein Lebenswerk, das von der Kunst eines Donald Judd, Sol LeWitt, Frank Stella, auch von der konkreten Malerei Walter Dexels inspiriert ist. Innerhalb eines streng systematischen Regelwerks entfaltet es eine erstaunliche Bandbreite an Variationen bis hin zu den jüngsten Arbeiten, in denen nun auch eine „wilde“, gestisch bewegte Malerei zum Zuge kommt. „Ich bin weniger ein denkender als ein spielender Mensch, ein Homo ludens,“, sagt der Maler über sich selbst.
In „Die Macht der Skizze“ von 1981 hat er eine kleine, schnelle Entwurfszeichnung auf die große Leinwand gebracht, langsam und präzise die an- und abschwellende, oben spitz auslaufende Bleistiftspur eins zu eins übertragen, so dass der spontane Duktus erhalten blieb. Zwei andere Arbeiten zeigen sich überlappende farbige Rechtecke, wobei die Überschneidung, ein transparentes Weiß, wie eine Plexiglasscheibe anmutet. In Wirklichkeit ist dies auf „die schlimmsten, spelzigtsten Hartfaserplatten gemalt. Diesen Kontrast von schöner Illusion und Banalität des Materials liebe ich“, so Monkiewitsch. Den gleichen Effekt erzielte er mit Beton und schwerem Eichenholz aus dem 17. Jahrhundert als Malgrund.
Für die Folge „Rekonstruktion eines Zufalls“ bat der Künstler seine Freunde, aus Pappe geschnittene Quadrate zu werfen, und übernahm dann deren zufällige Anordung ins Bild. „So kombiniere ich Exaktes mit Unkontrolliertem.“ Dabei entwickelte er das für ihn charakteristische, den Blick in die Tiefe saugende Schwarz durch einen besonderen Farbauftrag: auf die feuchte Ölfarbe stäubt er mehrere Schichten Pigment und reibt sie mit einer Bürste ein, bis die Farbschicht gesättigt und völlig glanzlos ist; die nach unten rieselnden Partikel bilden eine feinen, schwarzen Nebel, der eine Bewegung der Quadrate auf dem ultramarin leuchtenden Grund suggeriert.
In der Serie „Zwei Schnitte in das suprematischische Rechteck“ von 1987 trennte von Monkiewitsch von diesem schwarzen Rechteck zwei schmale, lange Dreiecke ab, um sie an anderer Stelle wieder anzufügen. Über 200 Varianten ergab dieses Spiel – alle hat er ausgeführt. Bekannt wurde für der Künstler für seine Verwendung der Fibonacci-Zahlen, die direkt mit dem Goldenen Schnitt zusammenhängen. Bei einer Reihe von Bildern legte er die Breite der farbigen Ränder – Rot, Grün, Blau, Gelb – nach diesen Zahlen fest und füllte das Feld dazwischen mit Schwarz aus. Einmal sprang dabei genau Malewitschs Quadrat heraus. „Malewitsch war mein Säulenheiliger“, bekennt von Monkiewitsch, „ich habe ihm quasi das Essen gebracht. Aber mit diesem Bild habe ich ihn in mir abgeschafft.“ Das hat seinem Werk gut getan. (Bis 8. Juli, Städtisches Museum, Am Löwenwall, Öffnungszeiten: Di-So und an Feiertagen, 10-17 Uhr; nächste Künstlerführung am 23.6. um 15 Uhr)