Regine Nahrwold am 24. Juni 2018
Ausstellung DEWOOL von Folke Köbberling im Allgemeinen Konsumverein
Wer hätte nicht als Kind davon geträumt, wie Winnie the Pooh in einem hohlen Baum zu wohnen? Aber in einem Woll-Tipi? Im „Allgemeinen Konsumverein“ kann man sich jetzt eine Eindruck davon verschaffen, wie das wäre. Eine Tonne Rohwolle von 800 Schafen von Biohöfen hat Folke Köbberling, Professorin für Künstlerisches Gestalten am Institut für architekturbezogene Kunst der TU Braunschweig, zusammen mit Studierenden für ihre Installation DEWOOL über den Kubus, den Raum im Raum, gehäuft. Entstanden ist ein gewaltiger, archaischer Berg bis unter die Decke, eine begehbare Skulptur. Ob als luftiger Bausch oder feine Strähne, als verfilzter Knubbel oder dicke Locke, in Weiß, Beige, Braun oder sogar grün und rot eingefärbt – immer wieder anders sieht das Fell aus. Im Inneren hängen die Zotteln dicht an dicht herab wie Stalaktiten in einer Tropfsteinhöhle. Mollig warm ist es hier zur Zeit der Schafskälte. Und wie das riecht! Animalisch-würzig, etwas muffig und ziemlich streng – nach Schaf eben.
Die international agierende Künstlerin verwendet vor allem Weggeworfenes, Abfälle, Geschenktes und scheinbar Unbrauchbares für ihre Werke. Für sie ist das Erste nicht eine Idee, zu der sie dann das passende Material sucht, sondern umgekehrt: Sie findet zuerst das Material und überlegt dann, was sich daraus entwickeln lässt. Deutschlands Schäfer beziehen ihr Einkommen heute vor allem durch das Fleisch und die Milch ihrer Herden und von der staatlichen Prämie für ihre Funktion als Landschaftsschützer. Die Wolle können sie kaum mehr loswerden, da diese hierzulande aus Übersee importiert wird; sie ist zu einem lästigen Nebenprodukt geworden, wird untergepflügt oder weggeworfen – was für eine Verschwendung dieser natürlichen Ressource! Auch dagegen und gegen unseren Konsumwahnsinn will die Künstlerin ein Zeichen setzen.
Im 19. Jahrhundert wurde das Schaf als dumm geschmäht, obwohl es neben Rind und Hund zu den ältesten Nutztieren der Menschheit gehört und viel Symbolisches verkörpert. Der Frühlingsanfang am 21. März steht im Zeichen des Widders. Jesus Christus nennen wir das Lamm Gottes und den guten Hirten. Die alttestamentarische Geschichte von der Opferung Isaaks durch seinen Vater Abraham, der auf Geheiß Gottes zuguterletzt statt seines geliebten Sohnes einen Widder schlachten darf, weist in der christlichen Theologie auf die Opferung des Gottessohnes voraus; in allen drei monotheistischen Religionen gilt sie als Schlüsselgeschichte für die Hingabe an Gott und das Vertrauen in seine Allmacht. DEWOOL: eine Hommage an ein wunderbares Tier und ein imposantes Erlebnis für alle Sinne, das auch zu denken gibt. (Bis 19. Juli, Allgemeiner Konsumverein, Hinter Liebfrauen 2, Öffnungszeiten: Donnerstag 18-22.00 Uhr, Samstag und Sonntag 14-18 Uhr)