Regine Nahrwold am 28. Juni 2018
Ausstellung „Nackt“ im BBK Braunschweig
Nacktheit. Kann man damit heute noch jemanden hinter dem Ofen hervorlocken, womöglich gar provozieren? Ja – wenn man Ingo Lehnhoff heißt. Der Maler gehört zu den fünf Künstlern, die zur Zeit im Kunsthaus des BBK ihre Arbeiten zum Thema „Nackt“ vorstellen.
Die Männer, die Lehnhoff unter Titeln wie „Rumpelstilzchen“, „Strafe muss sein“, „Sonnenbrand“ oder „Wirf Hirn!“ in Öl auf Leinwand präsentiert, rücken einem ganz schön auf die Pelle: Da wölben sich die Bäuche, da schlafft die Haut, rot springen einem Knie, Füße und Genitalien ins Auge. Man riecht förmlich die Körpersäfte! Dazu grotesk grimassierende Gesichter, und das Modell kneift sich auch mal kräftig in den eigenen Speck. Das alles ist heftig und gefällt sicher nicht jedem. Aber es ist brilliant gemalt, in einem Farbspektrum von Grau und Grün in den Schattenpartien, mit vielen Gelb- und Rottönen, mit sicher gesetzten Weißhöhungen und einem Pinselstrich, der die Körperforman plastisch herausmodelliert.
Den stärksten Kontrast dazu bilden die Arbeiten von Ana Laibach. Ihr Bild „Am Anfang war nackt“ (Acryl und Tinte auf Leinwand, 245 x 648 cm) bedeckt eine ganze Wand. Die Phantasiewesen, die sich in diesem Urchaos tummeln, sind ganz auf Schwarz und Weiß und klare Konturen reduziert; Positiv- und Negativformen greifen so ineinander, dass ein dynamisches Gefüge von menschlichen, tierischen und pflanzlichen Gestalten entsteht, darunter auch Nackte und stilisierte phallische Formen. Man steht lange davor und entdeckt immer wieder etwas Neues, Witziges – Klasse! Von Laibach stammen auch einige tolle Grafitzeichnungen von Figuren, sehr treffsicher mit der unendlichen Linie umrissen.
Schöne sensible Zeichnungen (Bleistift, Farbstift, Acrylfarbe, Bienenwachs) in kleinen Formaten hat auch Tina Stolt beigesteuert. Ebenso fein kommen ihre plastischen Torsi daher: reliefartig in Gaze oder vollplastisch aus Maschendraht, teilweise umspannt mit Nähseide in den Farben, aus denen sich das menschliche Inkarnat zusammensetzt.
Von Janna Riabowa stammen die Serien „Andenken“ und „Kinderlieder“, Pigmentdrucke von Fotografien auf Kupferdruckpapier. Diese zeigt aus primitiven Materialien gefertigte, mitunter unheimlich anmutende Kuscheltiere, jene alte, von Spuren der Vergänglichkeit gezeichnete Puppen.
Fritz Stier zeigt zwei „Cutouts“ (Öl, Eisenfeilspäne, Säure auf Spanplatte), Frauenakte, die frei und schwerelos im leeren Raum vor der Wand schweben. In seiner großen Videoinstallation „Rotes Rauschen“ wecken ein Mann und eine Frau, an den Füßen aufgehängt um sich selbst kreiselnd, Vorstellungen von Folter und Schlachthaus. Fazit: In der Kunst kann Nacktheit viele spannende Facetten haben. (Bis 22.7., Kunsthaus des Bundes Bildender Künstler, Humboldtstr. 34, Öffnungszeiten: Mi-Fr 15-18 Uhr, Sa und So 11-17 Uhr)