Regine Nahrwold am 23. August 2018
Ausstellung „Trotzköpfe“ von Denis S. Rose im Allgemeinen Konsumverein
„Was entsteht, ist durchaus in einer Tradition des Figurativen, aber strikt unakademisch. Es gibt hier keine Couch, die dem Wahren, Schönen, Guten verpflichtet ist. Die Konfrontation mit dem Unschönen, Unguten, Unwahren trifft uns. Unerträglich. Die Welt ist keine Wohnung mehr. Punkt. Schock.“ Diese Sätze schrieb der verstorbene Kunstwissenschaftler und frühere Professor an der HBK Braunschweig, Georg Kiefer, vor genau 30 Jahren in einem Katalog zur Arbeit „Headaches“ von Denis Stuart Rose. Rose, den mit Kiefer eine konsequent linke Haltung verband, ist in Braunschweig ein Urgestein der figürlichen-politischen Kunst im Stile der Environments von Edward Kienholz. Der heute 64jährige Künstler, der an der HBK Braunschweig bei Roland Dörffler freie Kunst studierte, war hier 1976 Gründungsmitglied der Kunstkooperative Braunschweig, Geschäftsführer der Produzentengalerie KK im Fisch sowie des Atelierhauses Kunstasyl e.V. und gründete die Gruppe “Braunschweiger Schule der verlorenen Figur” mit. Nun zeigt er in einem „Short Cut“ im Allgemeinen Konsumverein seine „Trotzköpfe“, angekündigt als „Status nascendi und Status post mortem eines Werkkomplexes“. Denn die Köpfe, die Rose präsentiert, stammen alle von lebensgroßen Figuren, die er eigenhändig enthauptet hat, als er vor einiger Zeit sein Atelier räumen musste – ein schmerzlicher Akt, ein Schnitt ins eigene Fleisch. Aber es gibt das „Trotzdem“! Was zunächst einmal ein herber Verlust war, wendet sich in der schwarzen Raumbox im Galerieraum zur Quintessenz seines Schaffens. An den Außenwänden des Kubus lassen verkleinerte Ideenskizzen die Installationen, aus denen die Köpfe stammen, noch einmal lebendig werden.
Da ist zum Beispiel Ikarus. Fünfmal schuf Rose den tollkühnen Fliegenden, der sterben musste, weil er der Sonne zu nahe kam, einen davon als Selbstportrait. Materialien: Gips, Draht, PU-Schaum, Kleidungsstücke, Spannseide, Polyester, Holz, Gänsefedern, Lack und ein Kinderfahrrad. Fünf Gedichte begleiteten dieses Ikarus-Projekt, das Erich Mühsam gewidmet war. Des anarchistischen Schriftstellers, Publizisten und Antimilitaristen, der 1934 im KZ Oranienburg ermordet wurde, gedenkt Rose auch mit den „Trotzköpfen“.
Aus der Installation „Nicht naschen, Paul“ von 1987 stammen der durch ein Fernglas schauende Mann und der Frauenkopf mit blonder Perücke. Das provokante Szenario einer deutschen Kleinfamilie als Peep-Show: Vor dem sitzenden, nackten Mann kniete die Frau in Reizwäsche, vor ihrem Geschlecht war ein Fernseher angebracht, auf den er starrte; dazu eine an Händen und Füßen aufgehängte Figur mit dem Kopf eines riesigen Teddybären. „Die ‚Keimzelle der Gesellschaft‘ und die trostlose Gefängniszelle ungelebter Sexualität, unlebbarer Kommunikation innerlich abgestorbener Menschen“ schrieb Martin Jasper damals im Katalog dazu.
Der grüne „Vordermann“, hinter einer großen Schutzbrille wie erblindet, war einst umstellt von Gitter-Grenzwänden, eingesperrt in räumlicher Isolation, der er auch durch Öffnen des Fensters nicht entrinnen konnte. Der „Hässliche“ stemmte sich mit Macht gegen eine schwere Metallplatte, die ihn zu erdrücken drohte – der metallisch glänzende Kopf eine Selbstbildnis, das Ganze eine Auseinandersetzung Roses mit seiner eigenen Situation als Künstler und Person – damals und auch heute wieder. Denis, Dein Werk geht weiter! (Bis 26.8., Allgemeiner Konsumverein, Hinter Liebfrauen 2, Öffnungszeiten: Fr – So, 14 – 18 Uhr, Eröffnung am Do, 23.8., um 20 Uhr)