Regine Nahrwold am 24. August 2018
Ausstellung „Idee – Abdruck“ in der Jakob Kemenate
„Das Tolle an der Kunst ist: Man kann sich auf einem Gebiet semiprofessionell betätigen und die Dinge aus einer anderen Perspektive wahrnehmen“, sagt Christof Mascher. Der Künstler (geb. 1979) studierte an der Fachhochschule Hannvoer sowie an der HBK Braunschweig und schloss als Meisterschüler von Walter Dahn ab. Zusammen mit Judith Dilchert, Hans Wesker und Clemens von Reusner erhielt er im vergangenen Jahr eins der drei Stipendien „Idee“ und „Abdruck“, die die Braunschweigische Stiftung schon zum dritten Mal an bildende Künstler aus der Region vergab. Ihre Ergebnisse präsentierten die vier am letzten Wochenende in einer Ausstellung in der Jakob Kemenate, kuratiert von der Kunsthistorikerin Anne Mueller von der Haegen. Marcus Körber, Kurator an der Städtische Galerie Wolfsburg, sprach in einem „Artist Talk“ mit den Künstlern über ihre Arbeit und ihre Vorhaben.
Mascher ist ein Hans Dampf in vielen Gassen: Malerei, Zeichnung, Keramik, Teppichknüpferei. Er liebt es, sich treiben zu lassen, zu spielen, zu experimentieren und aus Fehlern kreatives Kapital zu schlagen. Dazu gab ihm das Werkstipendium „Abdruck“, das in Kooperation mit der Städtischen Galerie Wolfsburg verliehen wird, reichlich Gelegenheit: Er hat sich in der Druckwerkstatt im Schloss Wolfsburg erstmals mit der Lithographie auseinandergesetzt und dabei auch die Tücken dieser komplexen Technik kennengelernt. Es sind ihm gute Drucke von der Steinplatte gelungen, träumerisch-surreale Motive in knalligen Farben, die an seine Malerei und seine Aquarelle anknüpfen. Zudem entwarf er die Marke „Castle cat’s cask“, eine Schlosskatze, die auf T-Shirts und einer Whiskey-Edition prangt.
Von ihrer nie nachlassenden Lust, Dinge zu entdecken, sprach die Bildhauerin Judith Dilchert (geb. 1984). Sie studierte an der HBK Braunschweig zuerst freie Kunst bei Bogomir Ecker, dann Kunstpädagogik. Kunst, Forschung und Vermittlung sind für sie untrennbar miteinander verbunden. „Ich laufe durch die Welt und nehme Formen auf, alltägliche Dinge, aber auch solche, die mir meine Schüler zeigen.“ Von ihrer Entdeckerlust zeugt vor allem ein Ensemble kleiner, drall-dynamischer, aus Luftballons gewonnener Gipsformen, das sie als ihr Skizzenbuch bezeichnet. Und es ist auch eine Lust, diese Familie verwandter Individuen Stück für Stück mit dem Auge abzutasten. Wie wichtig Dilchert Körperliches, Materialität und Oberflächen sind, beweist eine große Arbeit, die aus ihrem Skizzenbuch hervorgegangen sein mag. Sie erinnert an ein Molekül, einen Knochen, eine Hantel. Lange hat die Künstlerin an der Oberfläche geforscht, dabei sogar an Karamell gedacht. Entschieden hat sie sich schließlich für ein schwarzes Material, das feine Falten schlägt und an Haut erinnert.
Doch nicht nur junge, am Anfang stehende Künstler werden gefördert, sondern auch Projekte älterer, renommierter Künstler. Dies ist der Fall bei Clemens von Reusner (geb. 1957) und Hans Wesker (geb. 1950), jeder von ihnen eine gestandene Künstlerpersönlichkeit mit einem beachtlichen Œuvre. Werke des Komponisten und Klangkünstlers von Reusner wurden schon in Europa, Asien, Nord- und Südamerika aufgeführt. Er nahm an den Weltmusiktagen für Neue Musik 2011 in Zagreb und 2017 in Vacouver teil und ist Jurymitglied bei internationalen Festivals für elektroakustische Musik. „Ich arbeite mit Strukturen jenseits von Tonalität und Rhythmisierung. Die digitale Technik ermöglicht es mir, verschiedene Klänge präzise im Raum zu verorten“, sagt er über seine Arbeit. Klangkünstler ist auch Wesker, doch kommt er von der Malerei her, hat an der HBK Braunschweig bei Roland Dörffler Malerei studiert. Ihm geht es um die Verbindung von Raum, Klang und Visuellem, vor allem von Farbe. „Ich bin immer unzufrieden, immer auf der Suche“, sagt er von sich, „es gibt bei mir eine Bewegung vom Bild in den (Farb)Raum hinein, den ich mittels Digitalisierung zum Klangraum erweitert habe.“ Beide Künstler planen nun, das „Haus der Kulturen“ in ein „Klang-Haus“ zu verwandeln. Inspiriert hat sie der ehemalige Bahnhof, ein Ort von Ankunft, Abschied und Durchreise, nun erfüllt vom Leben und den Sprachen der Menschen aus vielen Kontinenten und Nationen. Tonaufnahmen davon sollen über außen angebrachte, farbige Aluverbund-Tafeln, die als Lautsprecher fungieren, das Haus erklingen lassen. Für dieses schöne Vorhaben brauchen sie natürlich Fördergelder. Auf, Sponsoren, hier gibt es goldene – nein, nicht Nasen, aber Sporen zu verdienen!