Regine Nahrwold am 5. Oktober 2018
Film „Wackersdorf“ von Oliver Haffner im Kino „Universum“
„Sie, Herr Landrat, kann mit dem Atom da auch wirklich nix passieren? Und wenn mal was explodiert?“ Mit diesen Fragen wendet sich auf einem Volksfest eine besorgte Frau an Landrat Schuierer. Iwo, antwortet der, bald sei Atomkraft so selbstverständlich wie die Eisenbahn, zu der es anfangs ja auch jede Menge Bedenken gegeben habe. Schuierer (Johannes Zeiler) ist begeistert von der geplanten Wiederaufbereitungsanlage Wackersdorf, soll sie doch seinem strukturschwachen Landkreis Schwandorf in der Oberpfalz 3000 Arbeitsplätze bescheren. Da hatten der bayerische Umweltminister (Sigi Zimmerschied) und Dr. Billinger vom Bauunternehmen (Fabian Hinrichs) leichtes Spiel mit ihm. Doch Schuierer muss sich eingestehen: Von Atomkraft hat er keine Ahnung. Und so sucht er verstohlen in der Stadtbibliothek nach Fachliteratur. Seine Zweifel wachsen. Die widerrechtliche Beseitigung – auf Anweisung der Landesregierung – eines hölzernen Turms, den WAA-Gegner auf dem Baugelände errichtet haben, bringt die Wende: „Wie bei den Nazis!“ konstatiert Schuirer entgeistert und verkündet seinen Mitarbeitern: „Solange ich noch Zweifel habe, werde ich nichts unterschreiben.“
Schuierers Entwicklung vom Befürworter zu einem der führenden Gegner der WAA steht im Fokus des Spielfilms „Wackersdorf“, der die Geschehnisse im Vorfeld des Baubeginns und den wachsenden Widerstand gegen die WAA Anfang der 1980er Jahre wieder aufleben lässt. Am Samstag ist er im Kino Universum im Beisein des Regisseurs Oliver Haffner angelaufen.
Mit dem Druckmittel der Unterschriftsverweigerung ist es bald Essig: Auf Betreiben des neuen Staatssekretärs (Frederic Linkemann) erlässt die bayerische Landesregierung die (nur einmal angewandte, aber bis heute bestehende!) „Lex Schuierer“, wonach die Unterschrift des Landrats nicht mehr erforderlich ist. Schuierer hat bald das erste Disziplinarverfahren am Hals und sieht mit Ende 50 seine berufliche Zukunft und bürgerlichen Sicherheiten bedroht. Trotzdem kämpft er weiter und rauft sich sogar mit der aufmüpfigen Monika Gegenfurtner (Anna Maria Sturm), der treibenden Kraft der Bürgerinitiative, zusammen. Dokumentaraufnahmen zeigen, wie massiv die Polizei damals gegen die WAA-Gegner zu Felde zog. Mit alten Nachrichten über den GAU in Tschernobyl und seine weitreichenden Folgen für die Umwelt endet der Film.
Was ihn, Jahrgang 1974, zu dem Film bewegt habe, lautet die erste Frage an Oliver Haffner. Er sei in Bayern und München in der von Franz Josef Strauß geprägten Atmosphäre aufgewachsen, seine ältere Schwester habe auch gegen die WAA gekämpft. Fukushima und der Ausstieg aus der Atomenergie hätten ihn ebenfalls motiviert, antwortet der Regisseur. „Ich wollte einen Film über die Zivilgesellschaft und das Demokratieverständnis machen, der Mut und Kraft zum Handeln gibt. Nach dem neuen bayerischen Polizeigesetz wäre ein solcher Widerstand heute gar nicht mehr möglich, Sie würden schon verhaftet, bevor Sie zu Hause aus dem Bett aufgestanden sind.“ Diese Ermutigung können wir brauchen (Hambacher Forst, niedersächsisches Polizeigesetz)! Auch ein Film über seine Heimat Bayern sollte es sein, die vielfältig sei und nicht nur das Bundesland der CSU. Der Bau der WAA sei schließlich aus wirtschaftlichen Gründen eingestellt worden, da die Franzosen die Wiederaufbereitung abgebrannter Brennstäbe günstiger anbieten konnten. Doch zur Unrentabilität der WAA hätten die Gegner sehr viel beigetragen, insofern sei das letztlich auch ihr Erfolg.
Obwohl die Grenzen zwischen den „Guten“ und den „Bösen“ ein wenig zu klar verlaufen, ein sehr sehenswerter Film mit einem hervorragenden Johannes Zeiler in der Hauptrolle. Erfolg ist ihm auf ganzer Linie zu wünschen!