Regine Nahrwold am 30. November 2018
„Kler“ von Wojciech Smarzowski im Kino Cinema C1
„Die Kirche ist heilig, aber sie wird von sündigen Menschen gemacht.“ Wie sündig diese Menschen sind, das zeigt der Film „Kler“ (Klerus) des polnischen Regisseurs Wojciech Smarzowski, aus dem dieses Zitat stammt. „Kler“ macht gerade in Polen Furore, in machen Kinos läuft er 20 Mal am Tag. Gemessen an den Zuschauerzahlen zählt er schon jetzt zu den drei erfolgreichsten Filmen in der Geschichte des polnischen Kinos nach 1989, und er löst im tief katholischen Polen hitzige Debatten aus. Das Cinema C1 zeigt ihn nun auf Initiative des deutsch-polnischen Kulturvereins.
Drei Priester sind die Protagonisten des Films. Trybus (Robert Wieckiewicz) ist Landpfarrer, Kukuła (Arkadiusz Jakubik) arbeitet in einer mittelgroßen Stadt. Beide predigen Wasser und saufen Schnaps, fahren sturzbetrunken Auto, fluchen wie die Bierkutscher; Trybus schläft während der Beichte seinen Rausch aus. Der gebildete Lisowski (Jacek Braciak), der abends in seiner Luxuswohnung Mozart hört, dient in der Großstadt dem einflussreichen Erzbischof Mordowicz (Janusz Gajos) als Mann fürs Grobe: Er sorgt dafür, dass der Bau des Heiligtums, mit dem sich Mordowicz schmücken will, vorankommt, auch mit Schmiergeldern, die ihm der Erzbischof höchstpersönlich in einer Plastiktüte aushändigt. Doch Bigotterie und Heuchelei sind noch die geringsten der Verfehlungen: Der ehrgeizige Lisowski strebt nach einer Beförderung in den Vatikan; dafür schreckt er sogar vor Erpressung nicht zurück. Trybus hat ein heimliches Verhältnis mit seiner Haushälterin (Joanna Kulig). Als sie ihm sagt, dass sie schwanger ist,
fragt er nur „Warum hast Du nicht verhütet?“ Sie: „Weil die Kirche das verbietet.“ Er: „Dann mach es weg!“ Zudem bereichert er sich an den hohen Summen, die er seinen „Schäflein“ für Trauungen, Bestattungen, Taufen abpresst (in Polen gibt es keine Kirchensteuer). Und das Geschöpf, das er im Suff angefahren hat, war wohl doch kein Tier, sondern der Familienvater, den er nun beerdigen soll.
Kukuła wird von Kindern durchs Schlüsselloch dabei beobachtet, wie er in der Sakristei einem Jungen das Hemd auszieht. Wegen sexuellen Missbrauchs wird er in den Ruhestand versetzt. Immer heftiger quälen ihn Erinnerungen an die Pein, die ihm selbst als Junge von einem Pfarrer angetan wurde. Zu den eindringlichsten Szenen des Films gehört die, in der ein Mann dem Erzbischof und seinem Gremium von seinem sexuellen Missbrauch in der Kindheit berichtet. Er blickt in eisige Mienen. Ob er sich darüber im Klaren sei, welche Tragödie er im Leben des beschuldigten Geistlichen anrichte, wird er gefragt. Und: „Sie klagen hier die heilige katholische Kirche an!“ Fassungslos muss das Opfer erleben, wie es selbst beschuldigt wird. Nachgespielte authentische Aussagen von Missbrauchsopfern zeugen vom Ausmaß dieses Verbrechens und dem dadurch verursachten Leid.
Alle Missstände der katholischen Kirche, besonders der polnischen, bündelt „Klerus“ wie unter einem Brennglas. Das Resultat wirkt ebenso übertrieben wie die Läuterung, die Trybus und Kukula am Ende durchmachen. Aber selbst wenn man diese dramaturgische Verdichtung wieder relativiert, bleiben genug realistische Anklagepunkte übrig. Für die dritte Vorstellung dieses starken Films am 29. 11. um 20 Uhr (Original mit englischen Untertiteln) sind noch Karten zu haben.