Regine Nahrwold am 17. Dezember 2018
Ausstellung „Members only“ im Museum für Photographie Braunschweig
„Wir sind geschichtete Wesen, Wesen voll von Untiefen, mit einer Seele aus unstetem Quecksilber, mit einem Gemüt, dessen Farbe und Form wechselt wie in einem Kaleidoskop, das unablässig geschüttelt wird.“ Dieser Satz aus Peter Bieris Roman „Nachtzug nach Lissabon“ dürfte Axel Grüner gefallen. Er ist von Spiegelungen fasziniert, vor allem von solchen in transparenten Glasscheiben, in denen man zugleich das Dahinter erblickt. In der Überlagerung der Motive, die er mit der Kamera einfängt, sieht er ein Gleichnis für die Vielschichtigkeit des Menschen.
Vielschichtig ist auch die Ausstellung des Museums für Photographie, das seinen Mitgliedern die Ausstellung „Members only“ gewidmet hat. Alle 41 Bewerber wurden angenommen, ihre Arbeiten aber von einem kuratorischen Team ausgewählt und – keine leichte Aufgabe – ebenso klug wie ästhetisch gehängt.
Zu den zahlreichen auf Reisen entstandene Aufnahmen gehören die von Marlene Apmann. Sie war gefangen in der Diskrepanz zwischen Medienberichten über Diskriminierung und Gewalt gegen indische Frauen einerseits und den freundlichen Inderinnen, denen sie dort begegnete, andererseits. Einige von ihnen posierten für sie in ihren schönsten Saris und Festkleidern in der Öffentlichkeit auf einem roten Teppich. Apmanns Fotos zeigen, wie sie, so hervorgehoben, eine stolze, würdevolle Haltung annehmen. Ganz anders als diese Farbenpracht die Schwarzweißaufnahmen von Yvonne Salzmann. Sehr einfühlsam hat sie in einem kolumbianischen Bergdorf Kinder fotografiert, die sich um ein verletztes Pferd kümmern. Sebastian Günther war drei Monate in Bosnien und Herzegovina unterwegs, auch im Gefolge eines Minenräumkommandos. Tausende von Landminen wurden dort vor 20 Jahren gelegt, erst 2060 (!) soll das Gebiet minenfrei sein. Günthers Foto-Tableau dokumentiert eindrucksvoll Landschaften, die Arbeit des Entschärfens sowie Gesichter von Minenopfern. Manuela Knaut bekam durch den Teenager „Shot Gun“ Einlass in den schwer zugänglichen Johannisburger Hochhaus-Slum „Ponte City“ und hat das soziales Umfeld des Jungen dort mit der Kamera erforscht.
Experimentell arbeiten Herbert Döring-Spengler und Roberta Bergmann. Diese benutzt eine Sofortbildkamera, die auch doppelt belichten kann, und stellt damit Selbstportraits her, die sie z.B. mit den organischen Strukturen von Gras und Blättern reizvoll verfremdet. Jener hat im Atelier von Edvard Munch in Ekely entstandene Polaroids in den Toaster gesteckt, aus dem sie bizarr angekokelt heraussprangen.
Nicht wenige Mitglieder fanden ihre ergiebigen Motive vor der eigenen Haustür: Birte Hennig zeigt eine feine minimalistische Serie von kleinen Himmelsbildern, aufgenommen an aufeinander folgenden Tagen, immer früh morgens, aus dem Küchenfenster: Nur ganz wenige Veränderungen gibt es da, feine Nuancen, die sich erst allmählich erschließen. „Die Tatsache, dass heute die exotischsten Winkel der Welt dem Massentourismus und dem damit verbundenen Abbildungswahn anheim fallen“ hat Michael Ewen veranlasst „die Dinge meiner unmittelbaren Umgebung (…) in den Fokus zu nehmen“. Banales wie etwa über einer Wäscheleine hängende Filmstreifen verwandeln sich da im Licht in etwas Zauberhaft-Kostbares. Auch Timo Hoheisel ist mit seinem Farbfoto der nächtlichen Lichtverschmutzung über Wolfenbüttel etwas Magisches gelungen, während Andreas Bormann an einem Haus im Bültenweg verschiedene Zeitebenen erfasst hat.
Erstaunlich ist, bei aller Vielfalt, das hohe Niveau aller gezeigten Arbeiten, zumal ja längst nicht alle Mitglieder Profis sind. Es gibt viel zu entdecken, auch jene Künstlerinnen und Künstler, die hier leider ungenannt bleiben müssen.