Regine Nahrwold am 26. Februar 2019
Konzert: Liederjan mit „Ernsthaft locker bleiben“ im KULT-Theater
Foto: Hinrik Schmook
„40 Jahre unterwegs – sind wir müde? Keineswegs!“ Zum Auftakt ihres Konzerts am Samstag Abend im KULT-Theater stimmt „Liederjan“ das eigene Geburtstagslied aus dem Jahr 2015 an, freudig begrüßt von einem Publikum, das die Gruppe noch aus der eigenen Jugend in den 70er Jahren kennen dürfte. Mit ihrem neuen Programm „Ernsthaft locker bleiben“ liefern die Musiker dann zwei volle Stunden lang den quicklebendigen Beweis für ihre Behauptung. Ihre Songs sind – in bester 70erJahre-Liedermacher-Tradition – ein bunter Mix aus Politischem, Poetischem, Persönlichem und ganz viel Humor. Ein Stück über korrekten Sprachgebrauch – Flüchtlingsheim oder Geflohenenhaus? – ist ebenso dabei wie eins über den kleinen Weihnachtsfrieden zwischen deutschen und französischen Soldaten im Ersten Weltkrieg. Da plätschert in einem Instrumentalstück das Flüsschen Kossau bei Plön, sucht sich mäandernd seinen Weg, schwillt an und beschleunigt, um schließlich mit Pathos in den Großen Binnensee zu münden. Komponiert hat’s Hanne Balzer, mit der 2004 erstmals eine Frau zu „Liederjan“ stieß – und was für eine! Die jung gebliebene Nichtsoaltmeisterin hat’s drauf: sie vertont auch stehende Gewässer und Kräuterspiralen, bläst die Tuba („Niemand tubiert so sanft wie Hanne!“), plaudert mit Witz und turnt sogar auf der Bühne. Philip Omlor, der Jüngste im Bunde, schrieb zur Geburt seines Sohnes im Dezember 2017 ein wunderbar wehmütiges Chanson auf das sterbende Jahr, das neugeborene Leben und das wahre Wesen der Zeit.
In einem melancholischen Walzer wird die Sehnsucht nach der weiten See besungen. Altmeister und Stückeschreiber Jörg Ermisch, der „Liederjan“ 1975 mitgegründet hat, entlockt dazu einer Säge eine klagende Melodie mit viel Vibrato. Überhaupt: die Instrumente – es ist unglaublich, wieviele die drei beherrschen! Gitarre, Waldzither, Ukulele, Akkordeon, Harmonium, Sopransaxophon, verschiedene Flöten, Ziehharmonika und Tuba. Die Plastikposaune spielen alle drei und singen tun sie sowieso – mal nur von Ukulelen begleitet, mal brillant ganz a capella, etwa, wenn sie ein knappes Dutzend Volkslieder zu einem dreiminütigen „gezippten Potpourri“ verbraten oder in einem Stück von Oliver Gieß blödsinnige Small-Talk-Floskeln auf die Schippe nehmen. Und vielleicht, weil ihre Art von Liedern nun doch in die Jahre gekommen ist, zählen die a capella- und reinen Instrumentalstücke zum Stärksten des „Liederjan“ von heute..
Mit einem Lied über den Harz, „wo Goethe schwitzt und die deutsche Mystik sitzt“, wagen sich die Nordlichter weit nach Süden vor. Ermisch und Balzer sind Schleswig-Holsteiner – mit ihrem überbordenden Temperament die Spanier Deutschlands. Jungmeister Omlor dagegen, in Dortmund geboren, kam 2015 über Holland und Hessen nach Braunschweig und fand hier zu seinem großen Erstaunen einen Menschenschlag vor, der noch knorriger ist als die Westfalen. Braunschweig ist in seinen Augen eine schöne und sehr lebenswerte Stadt, außerdem ideal an der A2 und der A7 gelegen. Für ihn persönlich war die Stadt zudem das Sprungbrett in seine musikalische Selbstverwirklichung, denn hier hat er sich aus einer fragwürdigen Karriere im Musikalienhandel befreit und 2016 zu „Liederjan“ gefunden.
Mit dem anrührenden a capella-Stück „Because all men are brothers“ von Peter, Paul und Mary auf die Melodie des Bach-Chorals „Wenn ich einmal soll scheiden“ verabschiedet sich Liederjan von seinem knorrig-euphorischen Publikum.
Foto: Hinrik Schmook