Regine Nahrwold am 1. Mai 2019
Ausstellung: A. Camara Correa und J. Vural-Schmidt in der „Galerie auf Zeit“
Foto: Irene Heimsch
Donnerstag Abend, Ausstellungseröffnung in der „Galerie auf Zeit“. Es ist sommerlich warm, die Türen stehen offen, Drinnen und Draußen gehen ineinander über. Man plaudert, trinkt, flaniert, betrachtet die Exponate. Mitte im Raum sitzen mehrere Gäste um einen Tisch und – sticken. Stich für Stich schreiben ihre Nadeln mit roten Fäden Namen und Botschaften in die weiße Tischdecke hinein. Dazu eingeladen hat die deutsch-brasilianische Künstlerin Angela Camara Correa aus Braunschweig. Zusammen mit deutsch-türkischen Malerin Jale Vural-Schmidt aus Schwäbisch Hall bestreitet sie die aktuelle Ausstellung, kuratiert von Mira Lenk. Camara Correa (geboren 1962) liebt es, mit Menschen zu arbeiten. Schon als Dozentin an der HBK Braunschweig (2008 bis 2013) sowie an der Universität São João del Rei in Brasilien (2011) initiierte sie partizipatorische Kunstprojekte. So war es nur folgerichtig, dass sie irgendwann Menschen auch in ihre eigenen textilen Arbeiten einbezog: Der rote Faden, mit dem ein weißes Stück Stoff gemeinschaftlich bestickt wurde, wurde zum Sinnbild der Verbindung von einem zum anderen, ganz im Sinne von brasilianischen „Plauderdecken“, in denen sich Rituale und Geschichten miteinander verweben. Nun präsentiert Camara Correa eine neue Wandarbeit, in der sie den roten Faden so mit einem Stück weißer Gaze verknüpft hat, dass er nicht lose herabhängt, sondern sich mit dem Stoff zu biegen und zu wölben scheint – die Gattungen Zeichnung und Plastik gehen eine zauberhafte Verbindung ein und werfen einen filigranen Schatten an die Wand. Eine andere Arbeit besteht aus einem weißen Kleidchen und einfachen, aus Zweigen gebildeten Hausformen, die wie ein Mobilé von der Decke herabhängen. Dazu präsentiert die Künstlerin, die am Tupana Fluss in Amazonien eine Frauengruppe zu Erhaltung und Verbreitung traditionellen Wissens gegründet hat und von der gewaltigen Natur des Regenwaldes inspiriert ist, Zeichnungen von Pflanzenformen.
Foto: Irene Heimsch
Auch Jale Vural-Schmidt (geboren 1952) ist eine Wanderin und Mittlerin zwischen zwei Welten, zwei Kulturen. Sie studierte Kunst in Izmir, Salzburg, Nürnberg und Budapest und liebt es, mit Materialien und Oberflächen zu experimentieren, verarbeitet z.B. Zement in ihren Bildern. Ihre von der Natur angeregten und abstrahierten Werke, die zwischen Malerei, Zeichnung und Plastik changieren, sind ebenso sensibel und poetisch wie die Objekte Camara Correas. Ihre Zeichnungen – Tusche auf Transparentpapier – hat Vural-Schmidt zu mehreren übereinander vor die Fenster gehängt, so dass sich ein zartes Durchscheinen der Schichten im Licht ergibt. Zementziegel, die dem Einfluss der Witterung ausgesetzt waren, bilden mit ihren farbigen Oberflächen ein feines, malerisches Relief. Schließlich die großen Schwarzweiß-Zeichnungen der „Säulenmenschen“: Sie schreiben die Figuren in ein schmales, hohes Rechteck ein, ohne sie in ihrer Freiheit zu beschneiden. (Bis 24. 5., „Galerie auf Zeit“ im Lokal „Lissabon“, Breite Str. 25-27, Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag 10-22 Uhr, Samstag 17-22 Uhr)