Regine Nahrwold am 26. Juni 2019
Ausstellung „Angry Earth“ von Martyna Posnańska im Allgemeinen Konsumverein
„Immer wolltest Du mehr als ich geben konnte. Als ich dir sagte, ich kann es nicht mehr aushalten, hast Du mich einfach nicht ernst genommen. Und jetzt bin ich besser wieder für mich allein…“ Das sind Sätze, wie sie manchmal am Ende einer Liebe fallen, bei der Trennung, wenn der- oder diejenige geht, die in der Beziehung lange gelitten hat. Die in Berlin lebende Multimedia-Künstlerin Martyna Posnańska hat sie der Erde in den Mund gelegt, die der Menschheit wegen schlechter Behandlung ein 300.000 Jahre altes Miteinander aufkündigt. Elf solcher Sätze hat Posnańska formuliert, zugleich die Titel der Installationen, die sie im Allgemeinen Konsumverein präsentiert.
Das Gesamtprojekt heißt „It’s certain because it’s impossible – angry earth“ (Es ist sicher, weil es unmöglich ist – die verärgerte Erde). Ja, der blaue Planet zieht es vor, wieder allein seine Bahnen zu ziehen. Die Menschen in Gestalt von winzigen Preiser-Figürchen hat er abgeworfen, nur ein Hund läuft noch auf ihr herum. Dieser Freund des Menschen steht ihr näher als das „Gehirntier“ des Homo sapiens, das sie längst im Stich gelassen hat. Sehr fragil ist diese Erde, so fragil wie das Wespennest aus seinen feinblättrigen Schichten, ein Kunstwerk der Natur, das überall bröckelt und sich auflöst… Ihre Zeit läuft ab, wie ein von einem Motor angetriebenes Gerät mit rotierenden Metallstäben tickend, ruckend und klackernd anzeigt. Hier wiegt sich ein Wald von in Erde gepflanzten Kohlenstoff- oder Carbonfasern (sie werden vor allem in der Luft- und Raumfahrt sowie bei Sportgeräten und Formel-1-Rennwagen eingesetzt und haben, wie Plastik, die Eigenschaft, sich nicht zu zersetzen). Dort türmen sich Steine übereinander wie prähistorische Monumente (sie waren schon lange vor dem Menschen auf der Erde und galten in der Lehre der Entsprechung von Makrokosmos und Mikrokosmos als die Knochen ihres Leibes). Und was da so wunderschön und verheißungsvoll glitzert, ist eine Assemblage von durchsichtigem Kunststoff, die einen düsteren Schatten auf das Bild eines Gletschers an der Wand wirft. Über all dem schweben Klänge, denn Martyna Posnańska, die zuerst spanische Sprache und Literatur in Krakau, dann Klangkunst in London und Berlin studierte, entlockt Steinen, kontaminiertem Wasser, Feuer, Erde und Wind Geräusche und Töne – Material, mit dem sie komponiert. Ihre Installationen sind Bilder voller Poesie, Empathie und Sensibilität für das Material, die Freiraum für die eigene Phantasie des Betrachters lassen. Mit ihnen bezieht sie Stellung zu einem Thema, das uns auf den Nägeln brennt, ohne belehrend den Zeigefinger zu erheben. (Bis 21. Juli, Allgemeiner Konsumverein, Hinter Liebfrauen, Öffnungszeiten: Do 18-22 Uhr, Sa und So 14-18 Uhr)