Regine Nahrwold am 4. Juli 2019
„Soli Deo Gloria“: Haydn-Beethoven-Rezital mit Saleem Ashkar
Vom November 1792 bis zum Januar 1794, also rund 14 Monate, nahm Ludwig van Beethoven Kompositionsunterricht bei Joseph Haydn. Doch der schätzte seinen selbstbewussten, eigenwilligen Schüler nicht sonderlich, hielt sogar sein Klaviertrio op. 1 Nr. 3 für zu schwer verständlich. Beethoven wiederum soll über seinen Lehrer gesagt haben, er habe „nie etwas von ihm gelernt“. Dennoch hat er Haydn eine Sonate gewidmet.
Das künstlerische Verhältnis zwischen beiden Komponisten war Thema des vorletzten Konzerts des diesjährigen „Soli Deo Gloria Braunschweig Festivals“ am Sonntag Nachmittag im Rittersaal des Gifhorner Schlosses. Das Haydn-Beethoven-Rezital wies bereits auf den Themenschwerpunkt des Festivals 2020 hin, den 250. Geburtstag Beethovens. Bestritten wurde das Konzert von dem jungen Pianisten Saleem Ashkar (geb. 1976 im israelischen Nazareth als Sohn palästinensischer Christen), der 22jährig in der New Yorker Carnegie Hall unter Daniel Barenboim debütierte, seitdem bei bedeutenden Orchestern gastiert und mit berühmten Dirigenten wie Zubin Mehta, Daniel Barenboim, Riccardo Muti, Riccardo Chailly und anderen zusammenarbeitet. Ashkar spielte als erstes Haydns Sonate in D-Dur (Hob.XVI:37) aus dem Jahr 1780, gefolgt von Beethovens Haydn gewidmeter Sonate Nr. 3 in C-Dur (op. 2, Nr. 3). Ihr ist zu entnehmen, dass Beethoven seinem Lehrer sehr wohl einiges zu verdanken hat. Beide Werke spielte Ashkar technisch brillant, sehr kraftvoll und mit großer Präzision. Ein wenig mehr Empfindung hätte seinem Vortrag allerdings gut getan.
Wie Beethovens Sonate Nr. 3 auf Haydn zurückgreift, so weisen dessen Variationen in f-Moll (Hob.XVII:6) auf den genialen Schüler voraus. Dieses wunderbare, 1793 entstandene Werk erklang als erstes nach der Pause. Reclams Klaviermusikführer nennt es eine „freie, expressive Klavierdichtung, die, wie manche Haydnsche Sonatensätze, das Variationsprinzip als Mittel melodischer Intensivierung benutzt.“ An das Thema schließen sich nur zwei Variationen an, bevor das Stück in ein erregtes Finale mündet, das schließlich sanft und leise ausklingt.
Als letztes Stück dieses feinfühlig komponierten Programms folgte Beethovens Sonate Nr. 23 „Appassionata“ (1804/1805). Sie gilt als Glanz- und Endpunkt einer Entwicklung, die auf publikumswirksame pianistische Virtuosität abzielt. Danach schrieb Beethoven fünf Jahre lang keine Klaviersonate mehr. Mit der „Appassionata“, ihren wilden Ausbrüchen, extremen Gegensätzen und dem leidenschaftlichen Auf- und Abwogen überwand der Komponist die traditionelle maßvolle und ausgewogene Sonatenform. Die Proportionen der einzelnen Sätze verschieben sich zugunsten des langen, furiosen Schlusssatzes, in den das lyrische „Andante con moto“ des zweiten Satzes fast unvermittelt übergeht. Ashkar meisterte ihn mit Bravour. Die Zugaben, mit denen er sich für den herzlichen Applaus bedankte (Debussy und Schumanns „Träumerei“), zeigten, dass er auch die zarten Töne beherrscht.