Regine Nahrwold am 20. September 2019
Ausstellung „Magisches Auge“ von Erwin Stache im Allgemeinen Konsumverein
In fahlem Grün leuchtet es in der Dämmerung, die Sektoren flackern um die schwarze „Pupille“, bis sie schließlich die ganze „Iris“ ausfüllen. Nun sind die Stimmen, die Musik klar und deutlich, ohne störende Nebengeräusche, zu vernehmen. Wer in den 1950er Jahren oder früher geboren wurde, kennt es noch: Das „Magische Auge“, später auch das „Magische Band“, zeigte an, wie genau das Gerät auf die Sendefrequenz des gewünschten Senders eingestellt ist, und zwar beim guten, alten Röhrenradio, das etwa ab 1960 mehr und mehr vom Transistorradio abgelöst wurde. Nun feiert die Anzeige eine Auferstehung als Kunstwerk, wieder zum Leben erweckt vom Klangkünstler Erwin Stache. Er hat im Allgemeinen Konsumverein seine „Magische Wand“ (2018) installiert, eine Reihe von schlummernden Anzeigeröhren, die aufwachen, sobald sich ein Betrachter nähert, und die vielfältigsten Klänge hören lassen: Knattern, Rauschen, ein Keckern wie von Vogelstimmen, ein Zischen wie von Flammen, Glocken und Gongs, Schiffstuten, sphärische Weltraumklänge und da – sauste da nicht gerade ein Ufo vorüber? Gebannt lauscht man in dieses geheimnisvolle, manchmal auch unheimliche All von Tönen und Geräuschen hinein, lässt sich davon bezaubern und beginnt zu träumen… Und: Man kann durch Hin-und Hergehen vor der Wand beeinflussen, wann welche Röhre wie lange erklingt, und somit ein eigenes Arrangement schaffen.
Der Musiker, Klangkünstler, Objektebauer und Komponist Erwin Stache (geb. 1960 im Erzgebirge, aufgewachsen in Leipzig) studierte zunächst Physik, Mathematik und Pädagogik, später Klavier und Orgel. In den 1970er Jahren baute er – der schwierigen Beschaffungssituation in der DDR trotzend – einen Synthesizer, eine elektronische Orgel sowie Objekte aus Fundstücken und Abfallmaterialien alter Audiogeräte. Er wirkte in Jazz-, Blues- und Rockgruppen mit und gründete eigene Gruppen für experimentelle und Neue Musik. Seine bisweilen bizarren Installationen verbinden Klang und Musik mit bildkünstlerischen Elementen und basieren zumeist auf einer humorvollen Verfremdung alltäglicher Gegebenheiten. Dies ist auch der Fall bei der Arbeit „Seitenkastenmatrix“ (konzipiert 2007 für Schloss Moyland), die im Ausstellungsraum einen Großteil des Fußbodens einnimmt. 64 ganz unterschiedliche Schubfächer ausgedienter Kommoden und Schränke sind dort rechtwinklig zueinander ausgelegt und bilden ein skulpturales Mosaik. Über jedes Schubfach ist eine Gitarrensaite gespannt, darüber hängt an einem zierlichen „Galgen“ der Vibrator eines Handy, der, gesteuert von einem Motor, gegen die Saite zappelt und ihr ein feines Zirpen entlockt. Das sieht irgendwie rührend aus und hört sich auch so an. Mal springt hier, mal dort der Vibrator an, alle zusammen bilden ein kommunikatives Netzwerk der leisen Töne.
Eine dritte Arbeit, das „Röhrenfeld“ wird im Nebenraum präsentiert, sie wurde eigens für den Konsumverein geschaffen. Faszinierend in technischer wie künstlerischer Hinsicht, etwas ganz Besonderes für Auge und Ohr. Und auch die Stille klingt auf einmal ganz anders… (Bis 3. Oktober, Allgemeiner Konsumverein, Hinter Liebfrauen, Öffnungszeiten: Do 18-22 Uhr, Sa und So 14-18 Uhr)