Regine Nahrwold am 23. November 2019
Ausstellung „The problem of being romantic“ im Kunstverein Wolfenbüttel
„Meeting here tonight“ („Treffen heute Nacht hier“) ist in großen Buchstaben auf die weiche Bettdecke gestickt, die locker über den Zaun geworfen wurde. Ein nigelnagelneuer, weißer, etwa 2 Meter hoher Maschendraht ist das, der sich da im Kunstverein Wolfenbüttel durch die gesamte Raumfolge zieht und dem Besucher an zwei Stellen den Durchgang verwehrt. Was hat er zu bedeuten? Ein Grenzzaun? Ein Flüchtlingslager? Ein Gefangenenlager, Guantanmo gar? Und die Botschaft auf der Bettdecke? Trifft sich hier eine Gruppe von Aufrührern? Oder vielleicht ein Liebespaar, das durch den Zaun auseinandergerissen wurde wie weiland Pyramus und Thisbe durch eine Mauer? Nun, Julian Behm (geb. 1990) und Jonas Habrich (geb. 1992), die die Installation für ihre Ausstellung „The problem of being romantic“ aufgebaut haben, weisen solche Bedeutungen von sich. Sie studierten beide von 2013 bis 2019 freie Kunst an der HBK Braunschweig bei Thomas Rentmeister, dessen Meisterschüler sie auch waren. Und so sind sie erst einmal an skulpturalen Phänomenen interessiert, nicht an inhaltlichen Aussagen. Der Zaun und die Wände, die er als großes Dreieck einfasst, stellen in ihren Augen in erster Linie eine Plastik dar.
Viel spekulieren kann man auch vor einem Haufen verwelkter Grabkränze vom Friedhof, der gekrönt wird von einem Leuchtkasten mit dem Schriftzug „Wir führen“. Darunter verkündet ein Laufband in roten Buchstaben die Fortsetzung: „Blumen, Bukette und Gestecke“. Das mutet natürlich einigermaßen absurd an. Im nächsten Raum hängen drei große Schriftzeichnungen an der Wand, die Arbeit „Transkript Radio“. Hier hat Jonas Habrich Nachrichten aus dem Rundfunk mitgeschrieben.
Hier und da kann man von einem politischen Ereignis lesen, doch ist die Arbeit nicht als politisches Statement gemeint. Die Zeilen füllen das ganze Blatt aus und wirken vor allem als graphisches Element. Im gleichen Raum liegt ein Schrank auf dem Boden, darauf arrangiert ein Glückskeks. Auf seinem Zettelchen steht „Uns bleibt immer Paris“. Dieser Satz aus dem Film „Casablanca“ projiziert die unmögliche Erfüllung der Liebe von Elsa und Rick in die Zukunft, auf ein Wiedersehen in der französischen Metropole als Sehnsuchtsort – sehr romantisch! Und damit wären wir beim Titel der Ausstellung: „The problem of being romantic“. Haben die beiden Künstler zur Romantik eine besondere Beziehung, stellen sie ihre Arbeiten gezielt in den Horizont dieser Epoche? Nein, lautet die Antwort, das Satzfragment sei mal von einen Gespräch im Gedächtnis geblieben und ihnen wie eine Zeile aus einem Song durch den Sinn gegangen, eine besondere Intention verbinde sich damit nicht. Überhaupt möchten die beiden den Betrachtern ihrer Kunst keine besondere Bedeutung nahelegen, vielmehr könne jeder selbst dazu assoziieren. Das ist ziemlich beliebig und alles in allem etwas unbefriedigend.
Julian Behm und Jonas Habrich verstehen sich nicht als Künstlerduo, haben in den letzten Jahren jedoch mehrfach gemeinsam ausgestellt. »Am Anfang steht die Frage danach, wie nah wir aneinander rücken können, wie wir uns doch abgrenzend behaupten, während wir Übergänge unkenntlich, fließend oder verschwommen machen.«