Regine Nahrwold am 29. November 2019
Ausstellung „Moment und Dauer – Zeitwerke“ im Allgemeinen Konsumverein
„Moment und Dauer – Zeitwerke“ heißt die sehr sehenswerte Jubiläumsausstellung des Allgemeinen Konsumvereins, der dieses Jahr sein 20jähriges Bestehen feiert. Des Themas angenommen haben sich der Maler und Klangkünstler Hans Wesker, der Filmemacher und Schöpfer kinetischer Skulpturen Thomas Bartels und die Objektkünstlerin Martina Bothe. Alle drei sind seit Jahren untereinander und mit dem Konsumverein intensiv verbunden. Wesker hat unter anderem ein Wand füllendes Tableau von kleinen hochformatigen Bildern in ausgewogenen Proportionen geschaffen, monochrom, in zarten Farben wie Rosa, Hellblau oder -grün, aber auch Schwarz. In der oberen Hälfte des Rechtecks mit seiner Ausdehnungsrichtung nach oben und unten sitzt jeweils ein Kreis oder Quadrat als bewegungsloser ruhender Pol. Und die Bilder, jedes zugleich ein Resonanzkörper, tönen. Zuerst hört man sacht schwebende, sphärische Klänge, die dann allmählich in die Geräusche von Uhren übergehen, vom Tocken einer großen Standuhr bis zum hektischen Tick-Tick-Tick eines kleinen Weckers – ein immer lauter, fast bedrohlich anschwellendes Konzert, das das unaufhaltsame Verfließen der Zeit hörbar macht.
Thomas Bartels hat ein kleines, metallenes Planetensystem geschaffen, eine aus drei Kreisen bestehende Kugel, innerhalb derer sich ruckweise und klackernd ineinandergreifende Zahnräder drehen; Zangen ragen mit ihren geöffneten Griffen wie Fühler ins umgebende Weltall hinaus. Einer zweiten Arbeit von ihm liegt das Tagebuch eines Onkels zugrunde, das sich nach dessen Tod angefunden hat. Akribisch mit Datum versehen, enthält es Notizen wie „Fußnägel geschnitten“, „frische Unterhose“, „Januarlose“, „neue Hosenträger“, „halbes Bettzeug“ etc. – banalste Kleinigkeiten, die sich zur Summe eines Lebens addieren. Dieses Tagebuch hat Bartels abgefilmt, es wird nun von einem altmodischen Projektor an die Wand geworfen, die darin geronnene Zeit läuft vor den Augen des Besuchers ab.
Martina Bothe arbeitet mit dem empfindlichen Material Wachs, das mit seiner Verletzbarkeit schon an sich Vergänglichkeit verkörpert. Doch nicht das Fließen des erhitzen Wachses bestimmt ihre Arbeiten, sondern feste, glatte Flächen und Formen. So hat sie eine Bodenarbeit, zwei große Scheiben, geschaffen, dessen weißes Wachs partiell mit leuchtendem Ultramarinblau eingefärbt wurde, eine Farbe, die Assoziationen an den Himmel weckt. Bemerkenswert ist eine Skulptur, die aus zart türkisfarbenen Wachs das Mauerwerk und die Säulen der gotischen Frarikirche in Venedig in verkleinertem Maßstab nachbildet; man schaut – das Dach fehlt – von oben in die Raumstruktur hinein, deren statisches Gefüge mit der Zartheit des Materials kontrastiert. Das Reizvolle an allen Arbeiten Bothes ist zudem der eigenartige matte Schimmer des opaken Wachses, der dieses Material auszeichnet und an den glatten Flächen besonders schön zum Tragen kommt. (Bis 14.12. und dann wieder 2020, Allgemeiner Konsumverein, Hinter Liebfrauen 2, Öffnungszeiten: Do 18.00 – 22.00 Uhr, Sa und So 14.00 – 18.00 Uhr)