Regine Nahrwold am 17. Dezember 2019
Ausstellung „Dede, Eberhard, Phantom“ von Hannah Black im Kunstverein
„Hannah Black sucht Komplexität anstatt sie zu vermeiden. Und das funktioniert sehr gut mit Metaebenen.“ Mit diesem Resümee beschließt Direktorin Jule Hillgärtner den Presserundgang zur aktuellen Ausstellung „Dede, Eberhard, Phantom“ der in New York lebenden Künstlerin. Hannah Black (geb. 1984 in Manchester) schloss 2013 das Studium „Art Writing“ am Goldsmith College in London ab und ist auch als Autorin und Kunstkritikerin tätig. Soloprojekte realisierte sie in den letzten beiden Jahren u.a. in Wien, London, Berlin und New York. Ihre jüngste Arbeit, mehrere Installationen mit Videos und Objekten, hat sie eigens für den Kunstverein konzipiert und sehr feinsinnig auf dessen Räume, zum Teil auch dessen Geschichte, zugeschnitten.
Die drei Hauptstränge bilden drei Videos von Interviews: mit Raymond Pinto, einem Darsteller des Musicals Phantom der Oper am Broadway; mit dem Künstler Clemens von Wedemeyer, der 2014 im Kunstverein eine Ausstellung zur Geschichte des Gebäudes realisierte, …
… das in den 1930er Jahren ein Sprachinstitut, geleitet von Eberhard Zwirner, dem Großvater des Galeristen David Zwirner, beherbergte; und schließlich mit Ramey Ward, der Tochter der wegweisenden Hollywood-Filmeditorin Dede Allen, die als Schlüsselfigur der Arbeit von Hannah Black gelten kann. Dede Allen hat durch innovative Schneidetechniken – z.B. ist der Sound schon zu hören, bevor das Bild erscheint – den Beruf der Cutterin vom einem dienenden Handwerk aufgewertet zur dem der Filmeditorin, die eigene Akzente setzt und dadurch die künstlerische Form eines Films mitgestaltet. (Diese Techniken wendet Black in ihren Videos selbst an.) So ein „Sprung“ geschieht in der Kunst immer dann, wenn etwas, was bisher ganz selbstverständlich war, plötzlich auf sich aufmerksam macht und so eine Irritation erzeugt. „Diese Irritationen muss man folgen, um Blacks umfassende Arbeit zu verstehen“, so Hillgärtner. Dazu gehört z.B., dass die Videos, Bilder wie Texte, an ungewöhnliche Stellen im Raum projiziert werden, etwa auf eine Tür oder an eine Stuckdecke, wo sie weniger ihren Inhalt transportieren als auf dieses architektonische Element aufmerksam machen.
Eines der Videos, im Treppenhaus an die gebogene Wand geworfen, zeigt eine Szene aus dem Film „Bonnie and Clyde“, den Dede Allen geschnitten hat; es ist jedoch keine Szene der Handlung, sondern ein eigentlich nebensächliches Detail, das aber Allens Schneidetechnik vorführt. Hannah Black reflektiert aber nicht nur die Kunst und ihre Medien, sondern auch die Bedingungen, unter denen Kunst entsteht und öffentlich präsentiert wird, dies allerdings sehr indirekt und verschachtelt. So macht sie eben keinen Film über die Institution Kunstverein Braunschweig, sondern filmt ein Telefonat mit einem Künstler, der hier einmal eine Ausstellung realisiert hat über etwas, was Teil der Geschichte des Kunstvereins und seines Gebäudes war.
Nun ist die Metaebene zur Metaebene der Metaebene eine recht blutleere Angelegenheit. Und doch: Blacks Ausstellung ist interessant, intelligent erdacht und hochästhetisch umgesetzt: Die Fenster des „Salve Hospes“ sind mit getönter Folie verdunkelt und lassen ein schönes, rötliches Licht einströmen. Die Projektionen der Videos korrespondieren mit diesem Licht, ebenso die Objekte, Türme aus Holzstäben, deren Gitterstruktur sich im Schatten abbildet. Im großen Saal nimmt die im Film erscheinende Landschaft Bezug auf die Landschaftsbilder an den Wänden.
Für „Dede, Eberhard, Phantom“ empfiehlt sich das Vermittlungsangebot des Kunstvereins. Darüberhinaus lohnt sich ein Besuch dort auch wegen zweier weiterer Ausstellung: In der Remise hat sich Richard Sides ganz spannend mit dem Thema „Wohnen im urbanen Raum“ beschäftigt; im Obergeschoss des Haupthauses eine tolle Präsentation neuester und älterer Jahresgaben, die neuerdings auch von Nichtmitgliedern erworben werden können.